Artikel von Josef Osterwalder,
St. Galler Tagblatt,
16. Februar 2004
Brücken, Industrie- und Wohnbauten in der ganzen
Schweiz erinnern an das Werk des verstorbenen Ingenieurs Adolf Weder.
Zum besondern «Denkmal» wurde zudem sein soziales und kirchliches
Engagement.
Adolf Weder gehört zu den St. Gallern, welche die
Chance nutzten, die das Ende des Zweiten Weltkriegs bot. Es war die
Zeit, die Aufbruch und Aufbau zugleich bedeutete.
Für den 1921 geborenen Ingenieur fiel der Abschluss
der Ausbildung zum Architekten HTL und diplomierten Bau-Ingenieur ETH in
den Beginn der Nachkriegszeit. Erst sammelte er zwei Jahre praktische
Erfahrung, dann wurde er 1948 als Lehrer für Baustatik und Eisenbetonbau
an das kantonale Technikum in Burgdorf gewählt.
Praxisbezug war von den Schulträgern erwünscht – und
Adolf Weder noch so willkommen. Zusammen mit Ernst Prim gründete er 1950
das Ingenieurbüro Weder + Prim in St. Gallen und Burgdorf; später kamen
Büros in Langenthal, Bern, Zug und Zürich hinzu. Das wohl sichtbarste
Zeichen von Adolf Weders Ingenieurkunst ist der weite, geschwungene
Autobahnviadukt oberhalb von Goldach. Bauen war für Adolf Weder aber nie
nur eine technische Angelegenheit; er baute mit und für Menschen. In den
Büros zeigte sich dies dadurch, dass er seine Leute förderte – gerade
auch, wenn sie sich selbständig machen wollten. Er war ein Patron, dem
nicht das eigene «Firmenimperium» im Vordergrund stand, sondern seine
Mitarbeiter.
So eindrücklich Werdegang und Werk des Ingenieurs
waren, am Anfang seines Weges sah es noch gar nicht nach einer
Erfolgsstory aus. Die vier Jahre an der Kantonsschule St. Gallen
bezeichnete er in der Rückschau selber als «Misserfolg».
Zum Schlüsselerlebnis wurde, dass ihn der Vater gleich
als Praktikant ins Baugeschäft sandte, in dem er selber tätig war. Da
spürte er, dass er im Bauwesen am rechten Ort war – und dass auf der
Schulbank der Rücken doch bedeutend weniger schmerzt als auf dem
Bauplatz.
In den Jugendjahren erwachte auch die Liebe zum Sport,
zur Leichtathletik, was ihn in den Stadtturnverein führte und ihm viele
Freundschaften erschloss. Genau so wie der CVJM, in dem sich Adolf Weder
früh schon zu Hause fühlte. Dort erlebte er ein engagiertes Christsein,
so offen und pragmatisch, wie es ihm als Berufspraktiker entsprach.
In seiner Jugend hatte er vom CVJM eine entscheidende
Formung erfahren; später vergalt er es der christlichen
Jugendorganisation durch sein grosses Engagement, unter anderem als
Präsident des CVJM St. Gallen. 1953 war er Mitgründer und später
Präsident der Stiftung CVJM Ferienheim La Punt-Chamues-ch, was vielen
jungen Menschen Ferien im Engadin ermöglichte; eine Gegend, die auch für
die Familie mit ihren vier Kindern selbst zur Kraftquelle geworden war.
Mit der Wahl seines Sohnes (des heutigen Kirchenratspräsidenten) zum
CVJM-Sekretär legte der Verstorbene seine Ämter im Verein nieder, um dem
Werk, allerdings mit viel Herzblut, verbunden zu bleiben. Der Kirche
diente Adolf Weder viele Jahre als Kirchenvorsteher.
«Die Liebe bleibt» – mit diesem Bibelwort hat die
Familie den Tod von Adolf Weder-Rietmann angekündigt. So knapp lässt
sich ein Lebensprogramm formulieren – und so tief. (J. O.)