Vorwort zum Amtsbericht 2006 der
Evang.-ref. Kirche des
Kantons St. Gallen, März 2007
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
„St. Galler
Kirche 2010“ – bloss Vision oder wachsende Realität?
Sechs Jahre sind es her, seit die Synode im Dezember
2001 nach einem zweijährigen Diskussionsprozess die Vision „St. Galler
Kirche 2010“ verabschiedete. Vor fünf Jahren haben Parlament und
Kirchenrat zu deren Verwirklichung die Arbeit der kantonalen
Arbeitsstellen neu ausgerichtet und vereinzelt neue Stellen genehmigt.
Die St. Galler Kantonalkirche hat damit den Weg einer
geistlich-programmlichen Erneuerung gewählt und strukturelle und
finanzielle Entscheide konsequent in deren Dienst gestellt.
Nur: Ziehen die Kirchgemeinden mit? Wagen sie Aufbruch
und Veränderung? Wollen auch sie Kirche „nahe bei Gott – nahe bei den
Menschen“ sein?
Der Kirchenrat hat beschlossen, die alle zehn Jahre
anstehende Visitation in diesen Zusammenhang zu stellen. Ein
detaillierter Fragebogen an alle Kirchenvorsteherschaften eröffnete
letztes Jahr die Visitation 2007. Mit diesen Antworten als Grundlage
führen die Mitglieder des Kirchenrats zurzeit 110 strukturierte
Gespräche mit den Vorsteherschaften und Mitarbeitenden in den
Kirchgemeinden. Die Ergebnisse sollen im April 2008 von einer
Aussprachesynode diskutiert und deren Resultate nach weiteren
Konsultationen im Dezember 2008 in Synodebeschlüsse übergeführt werden.
Die
Kirchgemeinden stellen positive Veränderungen fest
Für jedes ihrer Tätigkeitsfelder vergaben die
Kirchenvorsteherschaften im Sinne einer Selbsteinschätzung zwischen 1
Punkt („schwach“) und 10 Punkte („blühend“), zum einen für die aktuelle
Situation, zum zweiten für die Veränderung in den letzten 5 Jahren.
Bildet man aus diesen Werten für jede Kirchgemeinde die Durchschnitte
für Situation und für Veränderung und zeigt diese Position als Kreis in
einem Streudiagramm mit allen St. Galler Kirchgemeinden, so ergibt sich
das Bild auf der folgenden Seite.
Die Mitte zwischen 1 und 10 Punkten liegt bei 5.5. Unsere Kirchgemeinden
beurteilen ihre Situation im Durchschnitt mit einem Wert von 5.7. Der
Mittelwert für die Veränderung in den letzten 5 Jahren liegt mit 6.0
Punkten noch etwas höher. Was heisst das?
Die Kirchgemeinden sind nicht euphorisch. Sie wissen um die
Schwierigkeiten, und dass es heute anspruchsvoll ist, Kirche zu leben.
Sie sind aber im Durchschnitt auch nicht pessimistisch oder gar
depressiv.
Bezüglich der Veränderungen in den letzten 5 Jahren sind sie
der Meinung, dass sich die Dinge insgesamt eher positiv entwickelt
haben. Allerdings sind die grossen Unterschiede zwischen den einzelnen
Gemeinden nicht zu übersehen.
Bild:
Die Durchschnittswerte der einzelnen St. Galler Kirchgemeinden
Situation (horizontal, nach rechts positiver) und Veränderung (vertikal,
nach oben positiver)
Welches sind die
positivsten Aspekte der Situation?
Einsatz von freiwillig Mitarbeitenden
(7.7)
Religions- und Konfirmandenunterricht (7.3)
Ökumenische Zusammenarbeit (7.1)
Gottesdienste und Andachten traditionell (7.0)
Führung, Zusammenarbeit, Zielorientierung (6.6)
Wo liegen die
positivsten Veränderungen?
Einsatz von freiwillig
Mitarbeitenden (6.5)
Gottesdienste und Andachten traditionell (6.4)
Führung, Zusammenarbeit, Zielorientierung (6.3)
Programme für Eltern und Kinder (6.3)
Ökumenische Zusammenarbeit (6.3)
Und welches sind die
grössten „Notstandsgebiete“ (Situation)?
Jugendarbeit und Gottesdienste
mit Nachkonfirmierten (3.4)
Sozialdiakonie und Arbeit mit gesellschaftlichen Minderheiten (3.8)
Arbeit und Gottesdienste mit Jungen Erwachsenen (3.8)
Jugendarbeit und Gottesdienste mit Schulalter (4.8)
Welt und Gesellschaft, interreligiöser Dialog (5.0)
Die
kantonalkirchlichen Arbeitsstellen
Zum Schluss noch die Frage nach
der Beurteilung der kantonalkirchlichen Arbeitsstellen. Der Schnitt für
ihre Wichtigkeit für die St. Galler Kirche liegt bei hohen 7.3 Punkten;
wie hilfreich sie für die eigene Kirchgemeinde sind, bei 6.0 Punkten. 15
der 55 Kirchgemeinden befürworten einen Ausbau, 9 eine Reduktion
einzelner (unterschiedlicher) Arbeitsstellen.
Grosse
Herausforderungen für die Jahre
2009-2015
Diese Ergebnisse zeigen in
verschiedenen Arbeitsbereichen ermutigende Fortschritte auf dem Weg
einer Kirche „nahe bei Gott – nahe bei den Menschen“, aber auch
weiterhin grosse Herausforderungen sowie Arbeitsgebiete mit dringendem
Handlungsbedarf.
Kirchenrat, Aussprachesynode und
Synode werden sich in den nächsten beiden Jahren intensiv mit diesen
Befunden und ihren Gründen beschäftigen und für eine neue strategische
Periode 2009-2015 die nötigen Massnahmen einleiten. Das Entscheidende
allerdings geschieht auch weiterhin in den Kirchgemeinden – wo sonst
kann es denn geschehen.
Der Kirchenrat dankt all den vielen hauptamtlichen, nebenamtlichen und
freiwilligen Mitarbeitenden, die in unserer St. Galler Kirche engagiert
und fachlich kompetent miteinander auf diesem Weg unterwegs sind, und
befiehlt uns alle Gottes Segen.