Vorwort zum Amtsbericht 2007 der
Evang.-ref. Kirche des
Kantons St. Gallen, März 2008
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Spannende
Visitation 2007
Vorgaben der Kirchenordnung wie die zehnjährlich
anzusetzenden Visitationen des Kirchenrates bei allen Kirchgemeinden
mögen nach Pflichtübung aussehen. Im Falle der Visitation 2007 entpuppte
sich die kirchenrätliche Reise durch den Kanton als spannender Überblick
über die aktuelle Situation der St. Galler Kirche und als
aussagekräftige Standortbestimmung auf dem Weg der Umsetzung der
gemeinsamen Vision „St. Galler Kirche 2010“.
Die Ergebnisse sind, zusammen mit Handlungsvorschlägen
für die Jahre 2009 bis 2015, in einem im Februar 2008 veröffentlichten
180-seitigen Visitationsbericht „Kirche
unterwegs“ zuhanden der Synode, aller kirchlich Mitarbeitenden und
der breiten Öffentlichkeit dokumentiert und kommentiert.
Vision „St.
Galler Kirche 2010“ breit getragen
Wichtigstes Ergebnis ist, dass die Vision
„St. Galler Kirche 2010“ als einer
Kirche „nahe bei Gott – nahe bei den Menschen“ breit getragen
wird und weiterhin die Zielrichtung bestimmen soll. Positive
Auswirkungen dieser theologischen Ausrichtung und ihrer konsequenten
Umsetzung sind in vielen Arbeitsgebieten sichtbar und nachweisbar. Sie
zeigen sich namentlich in einer stärkeren Programmorientierung der
Gemeinden bei gleichzeitiger Förderung von Qualität, Vielfalt und
Innovation. Basis dafür bildet eine verstärkte Mitarbeiter- und
Zielorientierung. Die St. Galler Kirche befindet sich bezüglich
Programm, Mitarbeiterschaft und Finanzen in einer Position relativer
Stärke.
Dunkle Wolken am Horizont verlangen aber
Aufmerksamkeit. Dazu gehören veränderte Paar- und Familienstrukturen mit
stark sinkenden Kinderzahlen und einer daraus resultierenden Alterung
der evangelischen Bevölkerung ebenso wie ein schleichender
Mitgliederschwund durch Kirchenaustritte. Junge Menschen ab 16 Jahren
werden nur schwer erreicht. Das religiöse und gesellschaftliche Umfeld
hat sich verändert und wird sich weiter verändern.
Je nach Kirchgemeindegrösse reagiert man
unterschiedlich. Grössere Kirchgemeinden in urbanen Agglomerationen
profilieren sich und entwickeln ein breites, zielgruppenorientiertes
Programmangebot. Sie betonen Gottesdienst und Musik, die Arbeit mit
Jugendlichen, Familien und gesellschaftlichen Themen und erleben sich
oft als lebendig. Kleinere Kirchgemeinden im ländlichen Raum verfügen
über eine deutlich höhere Pfarrerdichte. Sie pflegen Gemeinschaft,
Tradition und klassische Kirchgemeindearbeit. Die Begrenztheit ihrer
programmlichen Möglichkeiten und die finanzielle Abhängigkeit von
Finanzausgleichsleistungen machen sie aber verletzlich.
Fazit: Kein
Zwang zum Handeln – darum jetzt handeln
Trotz einiger dunkler Wolken am Horizont gibt es
zurzeit keinen Zwang zu einschneidenden Massnahmen. Dennoch, sagt der
Visitationsbericht, muss sich unsere Kirche weiter verändern, namentlich
durch weitere Stärkung der Programmarbeit. In den grösseren Gemeinden
ist das mit den vorhandenen Mitteln und Strukturen möglich. Gefordert
sind Qualität, Vielfalt und Innovation – basierend auf Klarheit über den
Auftrag und das eigene Profil.
Kleine Gemeinden können solches ohne regionales
Zusammengehen immer weniger leisten. Ohne strukturelle Massnahmen droht
ihnen längerfristig eine schrumpfende, überalterte Kerngemeinde mit
Teilzeitpfarramt, verbunden mit einem Rückzug auf wenige, traditionelle
Tätigkeiten. Wie die Visitation zeigt, muss das nicht sein. Der Bericht
zeigt mit der Bildung regionaler Kirchgemeinden einen gangbaren Weg auch
für diese Gemeinden.
Im Jahr 2008 soll unsere Synode nach einer wiederum
breiten Diskussion ein Dokument „St. Galler
Kirche 2015“ mit Leitzielen 2009 – 2015 verabschieden und damit
weitere wichtige Weichenstellungen vornehmen. Wagen wir im Vertrauen auf
Gottes Hilfe auf kantonaler und lokaler Ebene nächste Schritte,
vielleicht auch einige Sprünge über den eigenen Schatten? Wir können es
immer noch aus einer Position relativer Stärke heraus tun. Dafür sind
wir dankbar.
Dank
Der Kirchenrat dankt all den vielen hauptamtlichen,
nebenamtlichen und freiwilligen Mitarbeitenden, die auch 2007 in unserer
St. Galler Kirche engagiert und fachlich kompetent als Kirche „nahe bei
Gott – nahe bei den Menschen“ unterwegs waren. Gottes Segen möge auch
weiterhin mit uns sein.