Vorwort zum Amtsbericht 2011 der
Evang.-ref. Kirche des
Kantons St. Gallen, Februar 2012,
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Ein neues
Reglement für die sozialen und diakonischen Dienste
An der Wintersynode 2011 hat unser Kirchenparlament in 1.
Lesung das neue „Reglement für die sozialen und diakonischen Dienste“
verabschiedet. Es wird das heute noch gültige „Reglement für den Dienst
der Gemeindehelferinnen und Gemeindehelfer“ von 1990 ablösen. Was ist
daran bemerkenswert?
Heute gestaltet eine
Vielfalt von Menschen das Kirchgemeindeleben
Die Zeiten, als Pfarrer die einzigen die kirchliche
Tätigkeit Gestaltenden waren, sind längst vorbei. Heute wirken in
praktisch allen Gemeinden neben und mit Pfarrerinnen und Pfarrern
zumindest noch Fachlehrpersonen für Religion. Kirchenmusikerinnen und
Kirchenmusiker verlassen zunehmend ihre Rolle als nur musikalisch
Begleitende, steigen auch mal von der Orgelempore herunter und werden zu
aktiv Mitgestaltenden des Gottesdienstes. In lebendigen Gemeinden ist eine
grosse Zahl von freiwillig Mitarbeitenden in einer Vielfalt von tragenden
Funktionen tätig. Und dann sind da eben die Mitarbeitenden in sozialen und
diakonischen Diensten.
Die Zahl sozialer und diakonischer
Stellen ist deutlich gewachsen
Der Urtypus dieser Berufsgruppe war bei uns der Greifenseer
Diakon. Sozialfachlich kompetent und mit soliden geistlich-theologischen
Grundlagen ausgestattet, prägte er in unserem Kanton das Bild des
„Gemeindehelfers“, wie er – und später auch sie, die Gemeindehelferin –
nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend in Kirchgemeinden anzutreffen war.
Diese Entwicklung führte zu einer wichtigen Stärkung des diakonischen
Bewusstseins und der diakonischen Tätigkeit unserer Kirche. Die Zahl
sozialer und diakonischer Stellen wuchs kontinuierlich und liegt heute bei
rund 50% der Pfarrstellen.
Die Vielfalt
sozialer und diakonischer Stellen hat zugenommen
Gleichzeitig mit der Zahl der Stellen nahmen auch ihre
Vielfalt und die Zahl der Berufsprofile in diesem Berufsfeld zu. An
verschiedenen Arbeitsstellen im Kanton wird qualifizierte Sozialarbeit auf
Augenhöhe mit staatlichen Stellen geleistet. Das verlangt nach einer
entsprechenden Berufsqualifikation der Stelleninhabenden. Wir nennen sie
Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone.
Der Grossteil der St. Galler Kirchgemeinden benötigt aber
weiterhin Mitarbeitende mit einer guten sozialfachlichen Ausbildung sowie
mit geistlich-theologischer Kompetenz. Letztere ist nicht einfach für
Pfarrpersonen reserviert, wiewohl diese die Spezialisten dafür sind. Bei
diesem Berufsprofil sprechen wir von Diakoninnen und Diakonen.
Stark zugenommen hat die Zahl von Mitarbeitenden in der
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Sie erscheinen im alten Reglement von
1990 noch im Rahmen eines Ausnahmeartikels. Neu werden sie aufgewertet und
als eigenes Berufsprofil behandelt.
Die Entwicklung wird nicht stehen bleiben. Wir beobachten
sie beispielsweise bezüglich gerontologischer Spezialkompetenz. Aber auch
an Jugendvolontäre, Praktikantinnen und Praktikanten sowie an
Zivildienstleistende ist zu denken. – Eine grossartige Farbigkeit von
Berufskompetenzen, die in unserer Kirche eingesetzt werden können und
eingesetzt werden.
Wir setzen auf
Vielfalt statt auf Vereinheitlichung mit Mindeststandard
Mit dem in 1. Lesung genehmigten neuen Reglement setzt die
St. Galler Kirche auf dem Feld der sozialen und diakonischen Dienste auf
eine farbige und entwicklungsfähige Vielfalt von Berufsprofilen. Bezüglich
Qualitätssicherung durch Wahlfähigkeitsabklärungen und bezüglich
angemessener Besoldung bedeutet das eine gewisse Komplikation. Der Weg
unterscheidet sich von jenem, den andere Kantonalkirchen gehen. Sie
konzentrieren sich auf die Definition eines Sozialdiakons mit der
Mindestvoraussetzung eines staatlich anerkannten sozialfachlichen
Abschlusses und eines kirchlich-theologischen CAS-Moduls ohne
praktisch-theologische Methodenkompetenz.
Obligatorische
Ordination von Diakoninnen und Diakonen
Weil das Berufsprofil Diakonin/Diakon auch eine starke
geistlich-theologische Komponente hat, beschloss die Synode, diese
Berufsgruppe weiterhin nach zweijähriger Tätigkeit zu ordinieren, nach
Vorgaben des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK allerdings
künftig obligatorisch.
Aufwertung
und Ausweitung der Diakonie in unserer Kirche
Gesamthaft darf gesagt werden, dass die St. Galler Kirche
mit diesem Reglement die Diakonie in unserer Kirche deutlich aufwertet und
ihr Handlungsfeld massgeblich ausweitet. Das ist ein wichtiges Zeichen
einer Kirche, die „nahe bei Gott – nahe bei den Menschen“ sein
möchte.
Der Kirchenrat
dankt all den vielen hauptamtlichen, nebenamtlichen und freiwilligen
Mitarbeitenden, die sich auch 2011 in vielfältigen Funktionen in unserer
Kirche engagiert haben und fachlich kompetent miteinander unterwegs waren.
Gottes Segen möge auch weiterhin mit uns sein.