Vorwort zum Amtsbericht 2013 der
Evang.-ref. Kirche des
Kantons St. Gallen, Februar 2014,
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Jedes Jahr im November sind die Präsidien der
Kirchenvorsteherschaften zu einer zweitägigen Konferenz eingeladen. Im
November 2013 standen Fragen der Mitarbeiterführung im Zentrum.
Diese Treffen gehören zu den Highlights des Jahres. Man
spürt die Energie und das Engagement der Kirchgemeindeverantwortlichen.
Während der zwei Tage wächst stets eine Dynamik, die viele mit neuem
Schwung und neuen Ideen in ihre Gemeinden zurückkehren lässt.
Natürlich gehören zu diesen Konferenzen stets auch
besinnliche und gottesdienstliche Zeiten. Dieses Jahr hatte der
Konferenzmoderator sechs Präsidentinnen und Präsidenten gebeten, je kurz
zu sagen, was für sie zentral ist am christlichen Glauben und warum er für
sie wichtig ist. Sechs kurze und persönliche Glaubensbekenntnisse also. Es
waren bewegende Momente und kostbare Gedanken, die da miteinander geteilt
wurden.
Wir sind uns nicht gewohnt, in dieser Weise vor anderen
Menschen für unseren Glauben Zeugnis abzulegen. Den meisten von uns fällt
das schwer.
Es ist gut, dass wir nicht immer gleich mit der Türe ins
Haus fallen und die Menschen mit unseren religiösen Überzeugungen
überfallen. Aber wir sind wohl ins andere Extrem gefallen. Wir überlassen
das Reden über den Glauben lieber den Profis und ihren amtlichen
Auftritten. Wir flüchten uns in allgemein anerkannte Lebensweisheiten, in
allgemein-religiöse „Spiritualität“ oder in soziale Anliegen. Auch das ist
ja nicht schlecht. Aber genügt es auf die Dauer? Befinden wir uns in einem
Prozess schleichender Selbst-Säkularisierung?
Wir haben unseren Glauben
Menschen vor uns zu verdanken
Ich selber habe meinen eigenen Glauben weitgehend
älteren Menschen im CVJM (heute Cevi) St. Gallen zu verdanken. Sie
sprachen von Jesus und von Gott. Nicht von einer vagen „höheren Macht“,
wie sie auch von vielen heutigen Menschen noch irgendwie als existierend
angenommen wird.
Sie bezeugten einen Gott, wie er sich in Jesus Christus
gezeigt hat; der lebte ganz real als Mensch mitten unter uns. Einen Gott,
der die Menschen liebt und sie trotz ihrer menschlichen Ambivalenz, ihrer
Stärken und Schwächen, und auch ihrer Schuldhaftigkeit, liebend und
vergebend annimmt. Sie bezeugten einen Gott, den ich im Gebet mit „Unser
Vater“ anreden kann, einen Du-Gott, ein Gegenüber, einen Gott, wie ihn
Jesus Christus als seinen Vater vorstellte.
Meine Gottesvorstellung hängt darum bis heute
unauflöslich an der Botschaft Jesu Christi. Meine Zuversicht, dass Gott
mein Leben begleitet, dass er mich trägt, selbst wenn ich falle und wenn
alles um mich herum fällt - dieses mein Lebensfundament ist Jesus
Christus.
Diese Überzeugung habe ich dem Zeugnis und dem Vorbild
von Menschen im Cevi, in Familie und Kirche zu verdanken. Von ihnen lernte
ich auch, dass solcher Glaube sofort zum Engagement für die Mitmenschen
führt. Christlicher Glaube hat Taten zur Folge. Diese Taten aber gründen
in einer persönlichen Gottes- und Christusbeziehung.
Ohne die mich überzeugenden Worte und Taten dieser
Christen und Christinnen wäre ich nie Pfarrer, nie Jugendsekretär und nie
Kirchenratspräsident geworden. Wahrscheinlich kann jeder in der Kirche
engagierte Mensch eine ähnliche Geschichte aus dem eigenen Leben erzählen.
Heute stehen wir in der Verantwortung, diesen Glauben an
die jungen Menschen, und auch an die nicht mehr so jungen Menschen, weiter
zu geben. Tun wir das nicht, kommt es zum Traditionsabbruch: der
christliche Glaube wird nicht mehr weiter gegeben. Werden wir diesem
Auftrag gerecht?
Es ist Mode geworden, ein unklares Profil der
Reformierten zu beklagen. Man versucht dem mit Medienkampagnen, mit
prominenten Köpfen oder mit einem gemeinsamen neuen Glaubensbekenntnis und
mit Bestrebungen in Richtung einer Evangelischen Kirche Schweiz entgegen
zu treten.
Wahrscheinlich liegt die Problematik aber viel tiefer.
Nämlich bei unserer eigenen Identität, bei unserem eigenen Glauben als
individuelle Christinnen und Christen, und dann als Kirchgemeinden und als
Kirche.
Wofür stehen wir als glaubende Menschen? Was sind wir
als Kirche?
Sind wir eine humanitäre Organisation, die sich für eine
soziale Gesellschaft einsetzt? Ein Institution zur Förderung aus der
christlichen Tradition stammender „Grundwerte“? Eine missionarisches
Werk, das die Menschen zu Bekehrung und Veränderung aufruft? Ein
Serviceclub zur Zelebrierung von Ritualen in menschlichen Grenz- und
Übergangssituationen? Eine Gemeinschaft religiöser Menschen mit Religion
als Hobby?
Wahrscheinlich sind wir etwas von all dem. Aber was uns
wirklich zu dem macht, was wir unserem ureigensten Auftrag gemäss sein
sollen, ist wesentlich mehr. Und dieses Mehr ist unser Fundament.
Unser Fundament ist Jesus
Christus
„Ein anderes Fundament kann niemand legen
als das,
welches gelegt ist: Jesus Christus“ (1. Kor. 3,11)
sagt unsere Kirchenverfassung, den Apostel Paulus
zitierend.
Kirchliche Programme, Aktivitäten und soziale Aktionen
allein genügen nicht, mögen sie noch so attraktiv gestaltet sein.
Letztlich möchten die Menschen wissen, was wir persönlich glauben, worauf
wir unser Lebenshaus bauen und wofür wir deshalb als Menschen und als
Kirche in unserem Handeln einstehen. Es geht um Glaubwürdigkeit, um
authentisches Christ-Sein in Wort und Tat. Und es geht um die Weitergabe
dieses Glaubens an die nächste Generation.
Kirche ohne Menschen mit einem klaren, überzeugend
kommunizierten Glauben und entsprechendem Handeln funktioniert nicht. Und
das einfach an Profis delegieren zu wollen, reicht ebenfalls nicht.
Wir sollten anderen Menschen mit wenigen persönlichen
und klaren Worten sagen können, was wir glauben und was uns am
christlichen Glauben wichtig ist, worauf wir unser Lebenshaus bauen. Wir
sollten es im rechten Moment im Gespräch auch auszusprechen wagen. Und wir
sollten es in entsprechende Taten umsetzen.
Seien, werden und bleiben wir eine Kirche „nahe bei Gott
– nahe bei den Menschen“.
Seien, werden und bleiben wir Christinnen und Christen,
die in Wort und Tat, in Tat und Wort, glaubwürdig für ihren Glauben
einstehen.
Ein herzlicher Dank allen, die auch 2013 an der
Erfüllung dieses Auftrages mitgewirkt haben!