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Zum Jahr der Bibel

"Einmaliges Geschenk der Welt weitergeben"

 

 

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Bischof Ivo Fürer und Kirchenratspräsident Dölf Weder zum Jahr der Bibel
Interview des katholischen PfarreiForums und des reformierten St. Galler Kirchenboten, Februar 2003
 

Auf der Suche nach dem Unendlichen, die allen Religionen gemeinsam ist, haben wir Christen eine einzigartige Informationsquelle: die Bibel. Sie gibt uns die Gewissheit vom liebenden Gott, der uns kennt, und die Hoffnung in die Auferstehung.

Zum Jahr der Bibel stellten sich Bischof Ivo Fürer und Pfarrer Dölf Weder, Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen, einem einstündigen Gespräch über die Bedeutung der Bibel. Die Fragen stellten Evelyne Graf, Redaktorin «PfarreiForum» St.Gallen und Pfarrer Andreas Schwendener, Redaktor «Kirchenbote». Zusammenfassung von Werner Kamber.

Welche Bedeutung hat die Bibel für den Glauben?

Bischof Ivo: Da begegnen wir Jesus über das Zeugnis von Glaubenden, ganz besonders von Glaubenden der ersten Generation. Hier ist der Anfang des Glaubens, der dann in eine grössere Tiefe hineinwachsen kann.

Dölf Weder: Die Bibel ist Zeugnis des Glaubens, ein Geschichtenbuch von menschlichem Erleben mit Gott und Jesus Christus. Es gilt dabei zu unterscheiden zwischen dem lebendigen Wort Gottes und dem biblischen Zeugnis von Menschen über ihre Begegnung mit ihm.

Bischof Ivo: Ich versuche als Katholik, Christus durch die Bibel, aber auch durch die Sakramente näher zu kommen. Ich bin als Christ Glaubenszeuge und messe das Glaubenszeugnis immer wieder an der Bibel und an der Glaubensgeschichte der Kirche.

 

Erste Kontakte

Wie kommen die Menschen in Kontakt mit der Bibel?

Dölf Weder: Da spielt der Religionsunterricht eine grundlegende Rolle, auch der Gottesdienst. Wichtig ist, dass bereits Kinder biblische Geschichten kennen lernen und damit leben. Bei den Erwachsenen kommt der Gottesdienst hinzu, der ja bei den Reformierten sehr stark Auslegung von Bibelworten ist. Daneben haben die Menschen aber auch die Möglichkeit, die Bibel privat zu lesen.

Bischof Ivo: Bei den Katholiken hat der Gottesdienstbesuch am Sonntag eine feste Ordnung der Bibeltexte, die das ganze Kirchenjahr prägt, wenn auch früher stärker als heute. Hinzu kommen in beiden Konfessionen Bibelgruppen und Bibelgespräche. Bei uns ist in der letzten Zeit viel von dem wach geworden, was in den reformierten Kirchen schon länger gepflegt wurde.

Wie können Menschen, die noch keinen Kontakt zur Bibel hatten, den Zugang zur Bibel finden?

Dölf Weder: Sie können sich Bibelgruppen anschliessen, die ganz verschiedene Ausrichtungen haben können. Wenn jemand die Texte für sich allein anschauen will, dann rate ich zum Kauf einer Bibel-Lese-Hilfe - oder einfach einmal mit der Lektüre eines der Bücher der Bibel beginnen. Anfängern rate ich zu einem Evangelium:  "Lass den Text einfach auf dich wirken und schau, was er mit dir macht". Bibellesen ist eine interaktive Sache, wie das Gebet oder das Lesen eines Gedichtes. Wichtig ist eine gut verständliche Übersetzung.

Bischof Ivo: Wenn mich jemand persönlich auf die Bibel anspricht, bin ich sein Schlüssel für den Zugang. Ich versuche, auf Bibeltexte zu verweisen, die auf sein persönliches Fragen Antwort geben. Wichtig ist mir, dass der Zugang zur Bibel nicht einfach ein Zugang zu irgendeinem Buch ist, sondern zu einem tiefen Geheimnis, zu Jesus, der in mich hineinspricht. Bei der Verkündigung des Evangeliums während der Messe kommt besonders feierlich zum Ausdruck: Jesus will mir jetzt etwas sagen; die Bibel als Buch ist Kommunikationsmittel.

Dölf Weder: Menschen, die in einer Lebenskrise stecken, rate ich manchmal, in den Psalmen zu lesen. Sie geben menschliche Grunderfahrungen wider; heutige Menschen können sich darin wiederfinden. Sie zeigen, wie glaubende Menschen mit belastenden Situationen umgegangen sind, mit Auflehnung, Zorn, aber auch mit der Erfahrung von Trost und Geborgenheit.

 

Neue Offenheit

Braucht es die Bibel überhaupt noch? Andere Bücher als die Bibel, zum Beispiel moderne religiöse Schriften, können doch auch etwas auslösen.

Dölf Weder: Zwei Gründe sprechen scheinbar gegen die Bibel: Erstens ist sie eine ganze Bibliothek und besteht aus einer grossen Vielfalt von Werken, und die Lektüre jahrtausendealter Texte aus einem andern Kulturkreis ist manchmal anspruchsvoll. Da haben es moderne Bücher und Schriften leichter. Zweitens ist die Bibel stark mit der Institution Kirche verbunden und hat unter den Vorurteilen ihr gegenüber zu leiden. Aber heute kommen Rückmeldungen von Katechetinnen, wonach es bei christlich wenig sozialisierten Kindern eine neue Unvoreingenommenheit der Bibel gegenüber gibt, eine neue Offenheit.

Bischof Ivo: Als gläubiger Mensch weiss ich: Gottes Geist wirkt auf verschiedenen Wegen, auch durch verschiedene Lebensweisheiten. Darüber hinaus glaube ich: Der eine Gott, der alles geschaffen hat, spricht über Jesus endgültig zu mir und zum Heil der Welt, und Gott, der alles in der Hand hat, liebt mich. Dann bekommt die Bibel einen ganz zentralen überragenden Platz. So bin ich nicht allein auf dem Meer der Weisheiten, ich habe eine feste Mitte.

Dölf Weder: Moderne Schriften sind wichtig. Ich möchte aber Mut machen, eines Tages auch zur Primärliteratur vorzustossen und für sich die Frage zu beantworten, was steht da wirklich drin?

Es gibt ja auch Bibel-Fanatiker. Wo beginnt der Fanatismus?

Bischof Ivo: Fanatismus beginnt dort, wo ich mich auf die Bibel einlasse mit der Überzeugung, ich selbst und mein Verständnis seien das Mass der Dinge, nicht Gott. Oder wenn ich mir anmasse, es gelinge mir, Gott zu durchschauen.

Dölf Weder: Die Bibel wurde und wird immer wieder als Zitaten-Steinbruch missbraucht, indem einzelne Aussagen aus dem Ganzen und aus dem zeitgeschichtlichen Umfeld herausgepickt und als Waffe gegen Menschen eingesetzt werden. Mit solchen Zitaten wurden zum Beispiel die Sklaverei gerechtfertigt, die Unterdrückung der Frau oder bis heute die Diskriminierung gleichgeschlechtlich Empfindender.

Bietet die Bibel uns heute noch Grundlagen für die Gesellschaft?

Dölf Weder: Die Bibel ist geschichtlich weit stärker wirksam geworden, als wir das wahrnehmen. Sie bewirkte viele christliche Werte, die wir heute als Allgemeingut kennen: zum Beispiel Krankenpflege, Bildung für alle. Auch heute kann sie Grund sein, gesellschaftliche Probleme zu kritisieren, wie menschliche Ausgrenzung oder soziale Ungerechtigkeit.

Bischof Ivo: Aus der Bibel als Wurzel sind der Humanismus und die Menschenrechte herausgewachsen. Heute jedoch stellt sich bei der grossen Entwurzelung des modernen Menschen oft die Frage: Wie lange können Ideale ohne gemeinsame Wurzeln Grundlage menschlicher Solidarität bleiben? Hat Leben einen Sinn?

 

Was uns eint

Was erwarten Sie vom Jahr der Bibel?

Dölf Weder: Dass möglichst viele Menschen der Bibel neu begegnen, sie lesen und abwarten, was dann passiert. Es werden keine spektakulären Wunder geschehen, aber vielleicht ein Gedanke, der anspricht: Was bedeutet das für mein Leben? Was oder wer soll mein Leben prägen?"

Bischof Ivo: Dieses Jahr soll ein weiterer Baustein für Zuversicht sein auf unserem Weg, um von der resignativen Stimmung wegzukommen. In der Bibel finden wir ja auch Universales, das allen Religionen gemeinsam ist, zum Beispiel den Weltfrieden.

Dölf Weder: Die Bibel ist unerhört ökumenisch, die Grundlage aller christlichen Konfessionen. Sie ist unsere gemeinsame Zeugnisbasis. Sie hat aber auch eine interreligiöse Dimension; wir finden vieles, das "alle Menschen guten Willens" eint.

Bischof Ivo: Dass wir nach dem Unendlichen suchen, staunend dem Grossartigen ausgeliefert sind – das ist allen Religionen gemeinsam. Aus der Bibel aber wissen wir noch mehr: Gott kennt uns, Gott liebt uns; das Leben ist mit dem Tod nicht zu Ende. Durch unseren Glauben auf der Basis der Bibel haben wir ein einmaliges Geschenk, das wir der Welt weitergeben können.

 



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Inhalt

Auf der Suche nach dem Unendlichen

Erste Kontakte

Neue Offenheit

Was uns eint

 

 

 

 

 

"In der Bibel begegnen wir Jesus über das Zeugnis von Glaubenden, von Glaubenden der ersten Generation."
Bischof Ivo

 

 

 

 

 

 

 

 

"Wichtig ist, dass bereits Kinder biblische Geschichten kennen lernen und damit leben."
Dölf Weder

 

 

 

 

 

 

 

 

"Wichtig ist mir, dass der Zugang zur Bibel nicht einfach ein Zugang zu irgendeinem Buch ist, sondern zu einem tiefen Geheimnis, zu Jesus, der in mich hineinspricht."
Bischof Ivo

 

 

 

 

 

 

 

"Es gibt heute eine neue Offenheit gegenüber der Bibel."
Dölf Weder

 

 

 

 

 

"Lass den Text einfach auf dich wirken und schau, was er mit dir macht.

Bibellesen ist eine interaktive Sache, wie das Gebet oder das Lesen eines Gedichtes."
Dölf Weder

 

 

 

 

 

 

"Die Bibel ist geschichtlich weit stärker wirksam geworden, als wir das wahrnehmen."
Dölf Weder

 

 

 

 

"In der Bibel finden wir auch Universales, das allen Religionen gemeinsam ist."
Bischof Ivo

 

"Die Bibel ist unerhört ökumenisch, die Grundlage aller christlichen Konfessionen. Sie ist unsere gemeinsame Zeugnisbasis. Sie hat aber auch eine interreligiöse Dimension."
Dölf Weder