Pfarrkirche Zuzwil, 5. Januar 2007
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Einleitung: Thema und
CVP Parteiprogramm
Sehr geehrte
Politikerinnen und Politiker der CVP
Zuerst ganz herzlichen
Dank, dass ich als evangelischer Kirchenratspräsident und Theologe zu
Beginn dieses wichtigen Wahljahres die Gelegenheit erhalte, einige
Gedanken an Sie zu richten. Sie haben sich entschlossen, an diesem
Neujahrsempfang nicht nur einige Nettigkeiten zu hören. Sondern Sie haben
mir ein mich und Sie herausforderndes Thema gestellt: „Die CVP Politik aus
Sicht der Kirchen“. Ich will mich dieser Herausforderung nicht entziehen
und Sie nicht nur mit Oberflächlichkeiten abspeisen.
Lassen Sie mich beginnen
mit zwei Vorbemerkungen und einem Geständnis:
1. Vorbemerkung:
Auch wenn diese Neujahrsbegrüssung hier in einer Kirche stattfindet,
erhebt mein Referat nicht den Anspruch, Verkündigung von Wort Gottes, also
Predigt, zu sein. Es ist ein persönlich gefärbter Diskussionsbeitrag, mehr
nicht. Was ich vortrage, ist eine dezidiert protestantische Sicht Ihrer
Partei. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für einen kulturkämpferischen
Anti-Ökumeniker. Aber ich kann und will die konfessionelle Geschichte und
Prägung der CVP nicht ausblenden.
2. Vorbemerkung:
Auch wenn ich hier als demokratisch gewählter Amtsträger unserer
Kantonalkirche spreche, vertrete ich keine offizielle Lehrmeinung. Die
gibt es bei uns Reformierten nämlich nicht. Sie hören meine eigene
Meinung. Ich habe mich entschlossen, diese Rede relativ persönlich und in
direkten, offenen Worten zu halten. Das macht mich verletzlich. Ich hoffe,
Sie werden mich nachher nicht allzu sehr zerzausen.
Und nun das Geständnis:
Ich habe mich mit dem Verfassen dieses Referates wirklich schwer getan. So
viele Gedanken zur aktuellen politischen Situation gingen mir durch den
Kopf. Selten hat sich unser kantonaler Kirchenrat so viel mit politischen
Themen und Abstimmungen beschäftigt wie in den letzten drei Jahren. Jedes
meiner Vorworte zu den Amtsberichten unserer Kantonalkirche beschäftigte
sich in diesen Jahren auch mit der kirchlichen Verantwortung in der
gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Situation. Wie aber
sollte ich all diese Themen und Gesichtspunkte bündeln und dazu noch dem
Thema „Die CVP-Politik aus Sicht der Kirchen“ gerecht werden?
Schlussendlich habe ich
all meine Gedanken beiseite geschoben und bei Ihrer Parteizentrale das
aktuelle schweizerische und das kantonale CVP-Parteiprogramm angefordert.
Die kannte ich bisher nur aus Zeitungsberichten.
Und jetzt kam beim Lesen
die freudige Überraschung: Ich bin begeistert über das, was Sie da
schreiben. Da kommt mir eine moderne, offene, christlich fundierte Partei
entgegen. Ich könnte fast alles unterschreiben, was Sie als Ihre Ziele und
Werte beschreiben. Mit anderen Worten: Ich bin ein potentieller
CVP-Wähler!
Wollen Sie einige
Beispiele?
Da lese ich im
„Parteiprogramm der CVP Schweiz“ von einer „Charta für eine
liberal-soziale Schweiz: eine freie und solidarische Gemeinschaft“. Es
finden sich Sätze wie: „Die Gemeinschaft Schweiz steht auf dem
Fundament christlich-demokratischer Werte“, „Wir gestalten das
Zusammenleben gemäss einem christlichen Menschen- und Gesellschaftsbild.
Diese sind nicht an eine Konfession gebunden.“ „Wir setzen die
Menschenrechtskonvention um.“ „Unsere Reformen beruhen auf der sachlichen
Auseinandersetzung, auf unserer liberal-sozialen Grundhaltung [einmal
mehr ‚liberal-sozial’] und dem geordneten Zusammenleben der Menschen.“
„Wir kämpfen für eine liberal-soziale nachhaltige Marktwirtschaft.“ Es
folgt dann eine ganze Reihe von interessanten Einzelforderungen. Und es
folgen viele Statements zur Förderung der Familien und der jungen
Menschen, Anliegen, die auch mir wichtig sind. Die Ausrichtung in diesen
Programmen gefällt mir.
Frage 1: Glaubwürdigkeit und
Orientierung am Gemeinwohl
Nach meiner ersten
Begeisterung als potentieller CVP-Wähler kamen bei mir die Fragen. Vier
davon möchte ich mit Ihnen ansprechen:
1. Frage: Meinen die das
ernst und setzen sie es auch um?
Es ist die entscheidende
Frage nach der Glaubwürdigkeit Ihrer Parteiparolen. Ich glaube, dass diese
Frage heute von vielen Menschen gestellt wird.
Mir fiel dazu eine
Randnotiz im St. Galler Tagblatt vom 8. Dezember 2006 in die Hände, Titel:
„Zweifel an Politikern“. Darin lese ich:
„Die Mehrheit der
Schweizer Bevölkerung zweifelt an der Integrität der Politiker. Trotzdem
ist sie der Ansicht, dass die Politik die Probleme des Landes lösen
kann, wie eine Univox-Studie zeigt. Laut der Mehrheit der Befragten
haben Politiker keine Prinzipien und sorgen sich kaum um die Anliegen
der Bürger. Vielmehr verfolgen sie eigene Interessen und buhlen um die
Wählerstimmen. …“
Die Umfrage drückt einen
Eindruck im Land aus, dass viele Politikerinnen und Politiker vor allem an
ihrer Wiederwahl interessiert sind. Und dass sie vor allem als
Interessenvertreter funktionieren: von Bauern- über Industrie- bis zu
Grossfinanzinteressen. Wenig Orientierung am Gemeinwohl und an Prinzipien
und Werten also. Ob das tatsächlich so ist, sei dahin gestellt.
Wahrgenommen wird es jedenfalls so.
Darum nocheinmal, liebe
CVP-Leute:
Ist Ihr Parteiprogramm wirklich ernst gemeint? Kann ich mich als
potentieller CVP-Wähler darauf verlassen, dass Sie dann auch so abstimmen
und so handeln, wie Sie mir das in Ihrem Parteiprogramm verkaufen?
Ich weiss, da ist zu
unterscheiden: Da sind die CVP-Leitungen und die
CVP-Delegiertenversammlungen. Die haben diese Programme verabschiedet.
Manche CVP Bundespolitiker und manche CVP Kantonspolitiker sehen die
Sachen vielleicht ein bisschen anders. Und da ist ja dann auch noch die
CVP-Wählerschaft, in sich sehr heterogen und vor allem in der
Innerschweiz und in der Ostschweiz stark vertreten, weniger in
den urbanen Zentren und Agglomerationen. Ob die alle dann auch bereit
sind, für diese Ziele an der Urne einzustehen? Und wenn die CVP
noch für ein Anliegen einsteht, ist es dann auch mehrheitsfähig? Welche
Kompromisse müssen eingegangen werden?
Nehmen wir einige
Beispiele:
Ziel Nr. 59:
„Wir tragen die von
der UNO im September 2000 verabschiedeten Milleniumsziele zur Bekämpfung
von Hunger und Armut sowie zur Verbesserung von Bildung, Gesundheit,
Gleichstellung und Qualität der Umwelt mit.“
Wenn das ernst gemeint
ist, muss man in Bern aber noch zünftig Gas geben und auch noch einiges an
Finanzen locker machen!
Ziel Nr. 60:
„Wir führen unser
Engagement in der Entwicklungshilfe weiter. Die Schweiz muss ihre
Unterstützung der Drittwelt-Staaten über die wirtschaftliche
Zusammenarbeit ausbauen. Eine geordnete liberale Weltwirtschaft dient
der Entwicklung dieser Menschen. Das bedeutet die Aufhebung von
restriktiven Zollschranken – namentlich für Güter aus diesen Regionen.“
Auch das ein ambitiöses
Ziel, das von uns Schweizern einige Opfer fordert. Werden zum Beispiel die
CVP Bauern da mitmachen? Wird man wenigstens wie versprochen dabei
bleiben, die Ostmilliarde nicht noch stärker zulasten der
Entwicklungszusammenarbeit zu finanzieren?
Ziel Nr. 3.16:
„Wir treten gegen
die massiven Preisunterschiede unserer Medikamente im Vergleich zu den
Nachbarländern an.“
Wie war das jetzt gleich
mit dem Patentschutz in der Wintersession in Bern? Nach den Nachrichten in
Radio DRS bleibt sogar der Parallelimport von Samsonite Reisekoffern aus
Gründen des Patentschutzes verboten. Wie wird wohl die Bundesrat Blocher
als Hausaufgabe mitgegebene Vorlage zu den Parallelimporten aussehen? Und
in welcher Form wird sie schlussendlich die Räte passieren?
Zum
Schluss noch ein Blick auf den Grundsatz
„Die
Flüchtlingspolitik respektiert die Genfer Konvention und die Europäische
Menschenrechtskonvention“.
Sie wissen, dass wir
Kirchen zusammen mit massgeblichen internationalen Gremien bei der letzten
Abstimmung zum Asyl- und Ausländerrecht in dieser Beziehung unsere grosse
Skepsis ausgedrückt haben. Das Schweizer Volk vertraute dem Parlament mit
deutlichem Mehr. Auch die Glaubwürdigkeit der CVP bleibt hier in der
Pflicht und unter Beobachtung.
Frage 2: Mein Bild von der CVP
Liebe Neujahrsgäste,
meine 1. Frage als
begeisterter potentieller CVP-Wähler ist für mich also die nach der
Glaubwürdigkeit Ihrer Verlautbarungen. Es ist eine heute sehr wichtige
Frage.
Sie wird beantwortet
durch das Abstimmungsverhalten und die täglichen Taten Ihrer
CVP-Politikerinnen und Politiker auf allen Ebenen.
Die 2. Frage
richte ich an mich selber:
Warum hat mich die
Lektüre Ihres Parteiprogrammes so positiv überrascht? Wie und wodurch ist
mein CVP Bild geprägt?
Ich komme aus einer
typisch protestantischen freisinnigen FDP Familie. Mein Vater war
Bau-Ingenieur mit eigener Firma, also ein selbständig erwerbender KMU-ler.
Selber habe ich mich immer als sozialen liberalen Menschen
betrachtet und auch entsprechend gewählt und abgestimmt. Das bedeutete
nicht immer Stimmen mit der FDP, aber früher oft – und in den letzten
Jahren immer seltener.
Wir Reformierten waren ja
im letzten Jahrhundert über grosse Zeiten aufgeteilt auf zwei Parteien, je
nachdem, welcher Aspekt des Reformiertseins von jemandem stärker betont
wurde, der soziale oder der liberale. Einerseits gab es die
Sozialdemokraten; da waren und da sind die Reformierten, welche die erste
Priorität dem Sozialen beimessen und auch ein entsprechendes
Gesellschaftsbild haben. Auf der anderen Seite gab es jene Reformierten,
welche in erster Priorität eine liberale Einstellung und ein liberales
Gesellschaftsverständnis haben. Der traditionelle reformierte Liberalismus
hatte aber immer auch eine starke soziale und werteorientierte Komponente.
Das ist der Grund, warum diese Kreise heute Schwierigkeiten mit Teilen der
FDP haben und doch nicht Sozialdemokraten sein wollen. Vielleicht sind sie
heute potentielle CVP-Wähler.
Die dritte grosse Kraft
war die CVP, früher noch katholisch-konservativ genannt. Hinzu kam ihre
kleine Schwester, die CSP. Sie beide waren in den Augen eines jungen
Protestanten, wie ich es war, zum einen dem relativ geschlossenen und sich
vor allem selber pflegenden katholischen Milieu zugehörig und zum zweiten
in ihren Werten konservativ und Rom-hörig. Wie lange zum Beispiel im
Kanton St. Gallen wegen der CVP noch das Konkubinatsverbot aufrecht
erhalten wurde oder wie entschieden man sich im Namen der
Familienförderung früher gegen Kinderhorte und familienergänzende
Massnahmen wehrte – um die Frauen zuhause bei den Kindern zu halten -, das
machte auf mich einen nachhaltigen Eindruck. Zu konservativ für meinen
liberalen reformierten Geist.
Inzwischen ist die
Parteienlandschaft auch im Kanton St. Gallen in Bewegung geraten. Die
national-konservativen Kreise haben sich der SVP zugewandt. Auch die CVP
verlor substantiell Mitglieder an die SVP. Das ist eine Chance für sie.
Sie kann sich nun vorwärts gerichteter und liberaler definieren. Die EVP,
die Evangelische Volkspartei, blieb eine kleine Gruppe, eher
freikirchlicher Theologie nahe. Hinzu kamen die Grünen, die heute in der
grün-liberalen Variante auch für Sozial-Liberale eine Option darstellen.
Zurück zu mir als
protestantischem, sozialem Liberalen und potentiellen CVP-Wähler. Aus
meiner 1. und 2. Frage folgt: Meint es die CVP wirklich ernst mit ihrer
neuen liberal-sozialen Ausrichtung oder ist das nur ein Trick, um
Protestanten und neue liberale Wähler im urbanen Milieu für sich zu
gewinnen?
Meint die CVP mit
christlichen Grundwerten einfach traditionelle, katholisch-konservativ
geprägte Werte oder kann sie sich unter christlichen Werten auch offene
und liberale christlich verantwortete Werte vorstellen? Bezieht sich das
„liberal“ nur auf das favorisierte Wirtschaftsmodell oder auch auf eine
allgemein liberal-weltoffene Haltung?
Ich habe mir diese
Thematik bei den letzten Wahlen im Internet auf der Smartvote-Website
genauer angeschaut. Da hat sich bei der CVP offensichtlich einiges bewegt.
Verschiedene CVP-ler erhielten denn auch meine Stimme. Im Schnitt reichte
es mir damals aber mit der Liberalität der CVP noch nicht. Aber wenn sie
wirklich Ernst macht mit ihrem Parteiprogramm und wenn sie unter
christlichen Werten nicht einfach traditionell-konservative Werte
versteht, ja dann wird sie eine für mich interessante Partei.
Frage 3: Die christliche
Werthaltung der CVP
Damit sind wir schon
mitten drin in meiner 3. Frage ausgelöst durch das Parteiprogramm.
Es ist die Frage nach der christlichen Werthaltung der CVP.
Das Thema meines Referats
lautet „CVP-Politik aus Sicht der Kirchen“. Bis jetzt habe ich ganz
ungeniert von mir selber geplaudert, mich quasi als ein mögliches
Beispiel der Spezies Protestant verwendet. Ich glaube, ich habe dabei
deutlich gemacht, dass es viele andere Protestanten gibt, Protestanten,
die ganz anders denken als ich. „Die“ Sicht der reformierten Kirche auf
die CVP gibt es also mit Sicherheit nicht. Und sie wissen ja auch, dass
wir Reformierten sehr Wert auf Mündigkeit und eigene Meinungen legen,
betreffe das nun die Theologie oder die Politik.
Wichtig ist mir nun aber
die Verwendung der Mehrzahl „Kirchen“ im Titel dieses Referats.
Neben der Vielfalt der Reformierten, welche die reformierte Kirche bilden,
gibt es auch noch andere Kirchen, zum Beispiel die katholische Kirche. Mit
ihr arbeiten wir heute im Kanton St. Gallen ganz ausgezeichnet zusammen.
Ich betone immer wieder, dass wir hier im Kanton St. Gallen eine lebendige
„Ökumene des Alltages“ leben.
Die katholische Kirche
hat in unseren reformierten Augen nur die kleine Unart, dass sie sich
immer als „die Kirche“ versteht. Das hat auch auf die Medien
abgefärbt. Achten Sie zum Beispiel einmal auf die Verwendung des Begriffes
„Kirche“ im St. Galler Tagblatt oder in nationalen Medien. Da wird immer
wieder ganz ungeniert von „Die Kirche hat…“ gesprochen, auch wenn
es bloss um die katholische Kirche geht. So als ob es in der Schweiz nicht
auch noch 2.4 Millionen Protestanten gäbe.
Für uns Reformierte ist
es wichtig zu unterscheiden, ob wir von „Kirche“ im theologischen
Sinn sprechen oder ob wir eine Institution, die sich „Kirche“
nennt, meinen.
Theologisch gibt es auch
für uns nur eine Kirche. Sie ist der Leib Christi und zu ihr
gehören alle Menschen, die sich zu Jesus Christus bekennen. Diese eine
Kirche manifestiert sich aber in vielen Institutionen, die sich als
Kirchen verstehen. Die reformierten Kirchen in aller Welt gehören dazu,
die orthodoxen, die katholische Kirche usw. Ob die eine Kirche
Christi sich unbedingt auch in bloss einer Institution äussern
muss, kann man diskutieren. Für die Katholiken ist das so. Für sie ist die
eine Kirche im theologischen Sinn und ihre
römisch-katholische Kirche als Institution identisch. Für uns
Reformierte ist Einheit in Christus auch in einer versöhnten Vielfalt
von Konfessionen und Kirchen denkbar. Ökumene verlangt für
uns also nicht unbedingt nach organisatorischer Einheit – aber danach,
sich gegenseitig und auch bei unterschiedlichen theologischen
Akzentuierungen als Brüder und Schwestern in Christus zu verstehen.
Für eine Partei wie die
CVP ist das ein wichtiger Tatbestand. Sie beruft sich ja auf das „C“, auf
das Christliche. Wenn sich dieses Christliche und die damit verbundenen
christlichen Werte vollgültig nur in der offiziellen Lehrmeinung
der katholischen Kirche äussern würden, hätte die CVP ein Problem mit
Mitgliedern aus anderen Kirchen. Die sähen sich dann nämlich in dieser
Partei – obwohl sie sich als Christen verstehen – immer konfrontiert mit
dem Vorwurf eines gewissen christlichen Wertedefizits. Das motiviert nicht
zum Mittun und nicht zum CVP-Wählen.
Ich habe aus diesem Grund
die letztjährigen Gespräche von CVP-Leitungen mit Bischofskonferenz und
Bischöfen, aber auch mit Leitungen reformierter Kirchen mit grossem
Interesse verfolgt. Unser Kirchenrat hat sich echt gefreut, als die
CVP-Parteileitung des Kantons St. Gallen auch ihn mit einem Besuch beehrte
und dabei auf ihre christliche und nicht bloss katholische Grundlage
verwies.
Die CVP definiert sich
als Partei auf der Basis christlicher Werte. Wenn ich das richtig
interpretiere, wird sie sich dabei zunehmend bewusst, dass das bedeutet,
die Werte, die sie als christlich versteht, selber zu diskutieren
und selber zu verantworten, auch im Gegenüber zu den Kirchen.
Konkret zeigte sich dies
beispielsweise in der Haltung der CVP zur Fristenregelung und zur
eingetragenen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare. Bei beiden
Vorlagen bezog die CVP die gleiche Position wie der Schweizerische
Evangelische Kirchenbund, unterschied sich damit aber von der
Stellungnahme der Bischofskonferenz.
Konkret zeigte es sich
auch in der Haltung der CVP zur Revision des Asyl- und Ausländergesetzes
im letzten September. Da setzte sich die CVP in deutlichen Gegensatz
sowohl zur Haltung der katholischen wie der evangelischen Kirchen – und
dies mit der expliziten Erklärung, auch diese Position lasse sich auf der
Basis christlicher Werte legitimieren.
Das führt zu einer
wichtigen Erkenntnis: Christliche Werte sind nicht immer so eindeutig, wie
wir das gerne hätten. Man kann als Christin und als Christ in Verfolgung
einer christlichen Wertehaltung durchaus auch zu unterschiedlichen
Ergebnissen kommen. Mein Lehrer in Sozialethik, der bedeutende Zürcher
Professor Arthur Rich, verdeutlichte uns das im Studium am Beispiel der
Atomkraftwerke. Er, selber Sozialdemokrat und Gegner von Atomkraftwerken,
machte deutlich, dass man in Verfolgung derselben christlichen Grundwerte
sehr wohl auch ein Ja zu Atomkraftwerken vertreten kann.
Wenn ich mir hier
nocheinmal einen konfessionellen Hinweis erlauben darf – ich hoffe Sie
missverstehen mich nicht als alten Kulturkämpfer: Das soeben Gesagte ist
ebenfalls ein typisch protestantischer Zug. Die offizielle katholische
Kirche kennt eine stärker ausgebildete verbindliche Soziallehre mit
klaren ethischen Regeln. Denken Sie etwa an die Sexualethik. Bei den
Reformierten wird mehr dem Diskurs und der individuellen Verantwortung und
Gewissensentscheidung überlassen. Das Dialogprinzip ist uns Reformierten
deshalb sehr wichtig. Wir sind auch in dieser Beziehung eine Kirche des
Wortes. Im christlich und theologisch verantworteten Diskurs bildet man
sich seine eigene Meinung. Die kann von Person zu Person durchaus
unterschiedlich ausfallen. Dennoch ist das nicht Relativismus. Es geht
vielmehr darum, im Diskurs das in der heutigen Situation Gottgemässe
heraus zu kristallisieren.
Ich bin überzeugt, dass
diese Hochschätzung des Dialogs und des gesellschaftlichen Diskurses,
und das Vertrauen in sie, auch für die Politik und namentlich für eine
C-Partei sehr wichtig sind. Ich möchte diesen Aspekt deshalb geschichtlich
und theologisch noch etwas vertiefen.
Die Protestanten betonten
seit der frühen Reformationszeit die Mündigkeit und die Verantwortung des
einzelnen Menschen vor Gott und den Mitmenschen. Darum legte bereits der
Reformator Martin Luther die Bibel auch in die Hände von Nicht-Theologen,
und zwar in Deutsch, so dass sie sie verstehen konnten. Die Menschen
sollten sich ihre eigene Meinung bilden können. In St. Gallen fanden in
der Reformationszeit neben den Gottesdiensten sogenannte „Lesinen“ statt.
Sie waren sehr populär. In ihnen legte unter anderen der nicht ordinierte
Theologe Johannes Kessler biblische Texte in allgemein verständlicher
Sprache aus.
Wir Reformierten trauen
den Menschen zu, ja, wir verlangen von den Menschen, dass sie sich ihre
eigene Meinung bilden, und dass sie für ihr Denken und ihr Handeln vor
Gott und ihren Mitmenschen selber die Verantwortung tragen. Man kann diese
nicht an eine Kirche oder Partei abtreten.
Sie können sich
vielleicht noch an die umstrittene Plakatkampagne vor einigen Jahren
erinnern: Da waren Bilder zu aktuellen gesellschaftlichen Themen zu sehen
und darunter der Text: „Selber denken. Die Reformierten“.
Das war überhaupt nicht
anti-katholisch gemeint, wenn es zum Teil in der Öffentlichkeit auch so
verstanden wurde. Es war vielmehr der Versuch, angesichts brennender
gesellschaftlicher Probleme den Menschen ein wichtiges reformiertes
Grundanliegen wieder neu bewusst zu machen. Dass auch Katholiken selber
denken können, ist selbstverständlich.
„Selber denken“ setzt das
Gespräch, setzt den gesellschaftlichen Dialog voraus. Ich bilde meine
Meinung in der Auseinandersetzung mit anderen. Dialog bedeutet nicht
Verzicht auf die eigene Meinung, bedeutet auch noch nicht Einverständnis
oder Kompromiss.
Echter Dialog setzt aber
Offenheit und Lernbereitschaft voraus. Populisten und Alles-besser-Wisser
haben ihn nicht nötig. Wer die Wahrheit bereits für sich selber reserviert
weiss, kann keinen echten Dialog führen.
Dialog ist ein wichtiges
biblisches Prinzip. Das gilt bereits für die vertikale Beziehung
Gott-Mensch. Mit der Schöpfung des Menschen schuf Gott sich ein
dialogisches Gegenüber. Der christliche Glaube ist nichts anderes als das
Leben einer dialogischen Mensch-Gott-Beziehung. Darum darf ich zu Gott
„Du“ sagen und im Gebet mit ihm in Kontakt treten.
Der Mensch wurde zudem
geschaffen als ein auf Mit-Menschen angelegtes Wesen. Menschliche Existenz
ist damit auch in der Horizontalen ganz wesentlich dialogische Existenz.
Das eine ist zudem nicht
ohne das andere zu haben: Gottesnähe verweist mich immer auf die
Notwendigkeit von Nähe zu den Mitmenschen. Und nach biblischem Verständnis
verstehe ich die Menschen nur richtig, wenn ich sie im Licht von Gottes
Liebe zu ihnen sehe.
Gottesnähe und
Menschennähe gehören zusammen. Unsere Kantonalkirche folgt darum der
Vision, eine Kirche „nahe
bei Gott – nahe bei den Menschen“ zu sein, so unser Leitwort -
„nahe bei Gott – nahe bei den Menschen“.
Christliche Existenz ist
ganz wesentlich dialogische Existenz – in der Vertikalen wie in der
Horizontalen.
Damit ist jetzt eine
weitere Forderung gestellt an eine Partei, die das „C“ im Namen trägt: Die
Forderung, dass sie eine dialogische Partei sei. Dass sie im
gesellschaftlichen Diskurs das Gespräch suche. Dass sie ihre festen
Überzeugungen habe, aber dass sie nicht glaube, die Wahrheit für sich
allein gepachtet zu haben.
Damit ist viel über die
notwendige Parteikultur gesagt: Eine Kultur des ernsthaften Dialogs und
der fairen, sachlichen Auseinandersetzung. Eine Kultur des Respekts vor
Andersdenkenden und vor politischen Gegnern. Eine Kultur des Vertrauens in
die Überzeugungskraft guter Argumente. Eine Kultur der Diskussion darüber,
was denn genau diese christlichen Werte heute meinen.
Ich glaube, dass die
Schweiz wieder verstärkt eine solche dialogische Politkultur braucht. Die
gängigen politischen Gehässigkeiten und schrillen Medienkampagnen stiften
Unheil und schädigen die Glaubwürdigkeit der Demokratie. Die CVP kann und
soll auf der Basis ihrer christlichen Werteorientierung auch in dieser
Beziehung ein wichtiges Signal setzen.
Sind Sie als CVP eine
Partei, die den Dialog pflegt und fördert?
Ich stelle Ihnen eine
Gretchenfrage: Wie halten Sie es mit dem interkulturellen und
interreligiösen Dialog? Führen Sie den als Partei? Führen Sie auf Ihrer
jeweiligen Ebene Gespräche mit Muslimvertretern? Oder stimmen Sie
ebenfalls ohne echtes Gespräch ein in den lautstarken Chor der heute so
populären Gegner von Minaretten, von muslimischen Friedhofabteilen und von
Kopftüchern?
Dialog bedeutet nicht das
Aufgeben eigener Überzeugungen. Dialog bedeutet das Aufnehmen eines echten
Gespräches, das Verstehen-Wollen und das gemeinsame, versöhnliche Finden
von Lösungen. Dialog ist die Konsequenz des christlichen Grundwertes,
meinen Nächsten zu lieben wie mich selbst – egal welchen Glauben oder
welchen Pass er hat.
Frage 4: Gesellschaftliche
Gemeinsamkeiten und moralische Substanz
Ich komme nun zu meiner
4. und letzten Frage, die sich mir aus Ihrem Parteiprogramm ergibt:
Braucht es denn heute noch christliche Grundwerte in unserer Gesellschaft?
Und falls ja, wer sorgt dafür, dass es sie auch morgen noch gibt?
Ich trage Ihnen
einleitend ein inzwischen sehr bekanntes Zitat von Ernst-Wolfgang
Böckenförde vor, einem ehemaligen Richter am deutschen
Bundesverfassungsgericht. Er sagte:
„Der freiheitliche
säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht
garantieren kann. Das ist das grosse Wagnis, das er, um der Freiheit
willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Statt kann er … nur
bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von
innen her, aus der moralischen Substanz des Einzelnen und der
Homogenität der Gesellschaft, reguliert.“
Böckenförde nennt also
zwei Elemente, die der freiheitliche und säkularisierte(!) Staat für
seinen Weiterbestand nötig hat: „moralische Substanz des Einzelnen“ und
„Homogenität der Gesellschaft“.
Woher kommen diese beiden
Lebenselixiere? Und wer sorgt dafür, dass es diese moralische Substanz und
diese gesellschaftlichen Gemeinsamkeiten auch morgen noch gibt?
Ich mache wieder einen
kurzen Exkurs in die Geschichte, diesmal ins Jahr 1803, ins Jahr der
Gründung des Kantons St. Gallen.
Am 15. April 1803 war die
erste Kantonsregierung unter dem Vorsitz von Müller-Friedberg gewählt
worden. Nur 6 Tage später bereits richtete der evangelische St. Galler
Dekan Pfr. Peter Stähelin an den neu gewählten Rat ein Gesuch um eine
gesetzliche Regelung des Kirchenwesens. Damals wurde – soll ich sagen:
noch? – sehr speditiv legiferiert. Bereits zwei Monate später, am 29. Juni
1803, beschloss der Grosse Rat auf Antrag der Regierung ein Kirchengesetz,
das in weiten Teilen Pfr. Stähelins Vorschlägen folgte. Und schon am 19.
und 20. September 1803 versammelte sich die erste reformierte
Kirchensynode unseres Kantons. Diese erste Tagung unseres kantonalen
Kirchenparlaments bedeutete zugleich die Gründung der Evang.-ref. Kirche
des Kantons St. Gallen.
Auch heute noch von ganz
aktueller Wichtigkeit scheint mir dabei die Präambel zu diesem
Kirchengesetz zu sein, verfasst vom Regierungsrat, beschlossen vom Grossen
Rat. Ich zitiere:
„Die
Regierungs-Räthe des Kantons St. Gallen.
In Beherzigung, dass die religiöse und sittliche Bildung des Volkes
das Glük des Staates befestnet;
Dass es daher die heiligste Pflicht jeder Regierung ist, die
Verbesserung dieses wohlthätigen Zustandes mit bestrebendem Eifer zu
bewirken.
… schlagen vor als Gesetz: ...“
Dann folgen die
Einzelbestimmungen.
Wir finden hier eine
tiefe Überzeugung unserer Kantonsgründer. Müller-Friedberg, wie viele der
damals führenden Staatsmänner im Kanton, waren Katholiken. Aber sie waren
vom Geist der Aufklärung beseelt. Aus ihm heraus gestalteten sie den
jungen Staat. Und mit dem gleichen aufgeklärten Denken wollten sie auch in
den Kirchen einen Reformprozess auslösen. Wir verdanken dem Denken dieser
Männer unter anderem, dass wir uns heute im Kanton St. Gallen nicht wie in
anderen Kantonen mit dem problematischen Erbe eines Staatskirchentums
auseinander setzen müssen. Die Kirchen sind bei uns im Rahmen
demokratischer Spielregeln weitgehend selbständig. So will es auch die
neue Kantonsverfassung.
Aber unsere
Kantonsgründer waren auch überzeugt, dass das Glück des Staates religiöse
und sittliche Bildung des Volkes voraussetzt. Und als geeignetste
Institutionen, solche Bildung zu befördern, sahen sie die beiden Kirchen.
Wir haben das in der Gesetzespräambel deutlich formuliert gefunden. Die
den Kirchen von der Regierung zugedachte Rolle wurde bestätigt durch den
Titel der Rede, welche der regierungsrätliche Kanzleidirektor Julius
Hieronymos Zollikofer als Vertreter der Regierung am 20. September 1803
vor der ersten Synode unserer Kantonalkirche im St. Galler Rathaus hielt.
Sie trug den programmatischen Titel „Rede über den Einfluss der Religion
und Sittlichkeit auf das allgemeine Wohl“.
Bildung in Religion und
Ethik als Voraussetzung für das öffentliche Wohl. So also die Meinung der
Politik 1803 bezüglich der Rolle der Kirchen im neu gegründeten Kanton.
Wie weit aber gilt das heute noch?
Ich könnte jetzt etwas
maliziös an die Debatten vom Jahr 2003 in unserem Kantonsrat erinnern. Da
wurde von einer Ratsmehrheit in einer eigentlichen Sparhysterie gefordert,
den Mittelschulunterricht in Religion und Ethik abzuschaffen. Das geschah
dann glücklicherweise dank der klaren Haltung der Regierung nicht. Aber
die Sache führte immerhin zu einer Kürzung dieser Stunden um 25%. Ist die
Meinung unserer Kantonsgründer von der Bildung in Religion und Ethik als
Voraussetzung für das öffentliche Wohl heute überholt? Sind solche
Kürzungen die Antwort unserer Politik auf die Orientierungslosigkeit und
Gewaltbereitschaft vieler Jugendlicher? Wie haben die CVP Kantonsräte
damals abgestimmt?
Die Kirchen haben in den
letzten Jahrzehnten stark an gesellschaftlichem Einfluss eingebüsst. Ich
spreche jetzt gar nicht nur von den Kirchenaustritten und vom
Gottesdienstbesuch. Man könnte sich ja auch fragen, wie viele Menschen
heute aus dem staatlichen Gemeinwesen austreten würden, wenn sie
das bloss könnten. Die Steuerersparnis wäre ja noch etwas grösser als bei
den Kirchensteuern. Auch Veranstaltungen der politischen Parteien sind
kaum mehr grosse Publikumsrenner.
Überall steht das Gleiche
im Hintergrund: eine zunehmende Individualisierung und Materialisierung
unserer Gesellschaft, Maximierung des eigenen Vorteils – übrigens durchaus
auch bei Politikern und ihren Lobbies zu finden – und Bedeutungsverlust
des Einsatzes für das Gemeinwesen. Solche und andere gesellschaftliche
Entwicklungen machen auch den Kirchen gehörig zu schaffen.
Die Kirchen sind nicht
für Gesetze und politische Massnahmen zuständig. Dafür gibt es
Politikerinnen und Politiker mit ihren Parteien. Die Aufgabe der Kirchen
ist eine andere, eine grundsätzliche. Die sollen sie deutlich
vernehmbar wahrnehmen.
Wache und nachdenkende
Menschen wissen, dass eine Gesellschaft einen gemeinsamen Bestand an
Grundwerten und Grundüberzeugungen haben muss, soll sie nicht in
Desintegration und schleichende Auflösung geraten. Es braucht Orte, wo
miteinander darüber nachgedacht und diskutiert wird. Der damalige
Regierungspräsident, Hans-Ulrich Stöckling, hat das im Jahr 2003 in seiner
Gratulationsadresse an der Jubiläumsfeier der reformierten Kantonalkirche
deutlich formuliert und den Beitrag der Kirchen hierzu gewürdigt.
Wir Kirchen können heute
solche christlich verantworteten Werte und Überzeugungen freilich nicht
mehr einfach autoritär behaupten und gesellschaftlich durchsetzen. Aber
wir können, und wir wollen, solche Werte und Überzeugungen auch weiterhin
in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen – als eine Stimme
unter vielen. Ich bin dabei überzeugt: Wahrheit wird sich letztlich als
Wahrheit erweisen. In diesem Sinne glaube ich, dass die Vorstellung
unserer Kantonsgründer, dass die Kirchen in der Gesellschaft – neben dem
Angebot von Christusgemeinschaft – die wichtige Funktion haben, religiöse
und sittliche Bildung zu betreiben, durchaus auch heute noch ihre
Berechtigung hat. Ich hoffe, dass die Kirchen damit auch die Politik
beeinflussen.
Was bedeutet das für die
CVP, so sie denn eine auf christlichen Werten basierende C-Partei sein
will? Es bedeutet zum Beispiel, dass sie sich dafür einsetzen soll, dass
die jungen Menschen sich während ihrer Schulzeit intensiv mit Fragen der
Ethik und des Glaubens auseinandersetzen. Junge Menschen dürfen nicht
schutzlos bloss den Botschaften des Schulhofes, den Gewalt- und
Porno-Videos ausgeliefert sein.
Wir Reformierten betonen
immer wieder die Mündigkeit und Selbstverantwortung des Menschen. Aber das
setzt ethische Kompetenz voraus. Wo in unserer Gesellschaft erwerben
unsere Jungen heute solche ethische Kompetenz? Wo sind die Vorbilder in
dieser Beziehung? Das hat mit Werten zu tun.
Solche ethische und
weltanschauliche Auseinandersetzung geschieht nicht nur in der Form von
Religionsunterricht. Sie muss sich quer durch alle Fächer ziehen. Aber sie
soll auch in der Form eines qualitativ hoch stehenden christlichen
Religionsunterrichts angeboten werden. Und für Schülerinnen und Schüler,
die diesen nicht besuchen wollen, müssen stundenmässig gleichwertige,
nicht abwählbare Alternativen geschaffen werden.
Unsere Gesellschaft
benötigt gemeinsame Werte und ethische Kompetenz. Auch morgen. Für die
Erziehung in diesen Werten tragen wir heute die Verantwortung. Als
christlich engagierte Menschen sind wir der Meinung, dass den Kirchen
weiterhin ermöglicht werden muss, hierzu wesentliche Beiträge zu leisten.
Ich erwarte, dass sich die CVP entschlossen dafür einsetzt.
Zum Schluss:
Rekapitulation
Liebe Politikerinnen und
Politiker der CVP
Damit komme ich ans Ende
meiner Ausführungen. Ich habe Ihnen versprochen, dass ich das mich und Sie
herausfordernde Thema „Die CVP-Politik aus Sicht der Kirchen“ in einer
persönlichen und direkten Art angehen werde - als das was ich bin: ein
reformierter, sozial und liberal denkender Theologe.
Nehmen Sie das vom
heutigen Abend in das neue Jahr mit, was Sie überzeugt hat, und vergessen
Sie, was Sie nicht überzeugt hat.
Ich erinnere Sie
nocheinmal an wichtige Stichworte:
-
Sie haben in mir einen
potentiellen CVP-Wähler kennen gelernt. Aber von Ihnen wird auf jeder
Ebene Glaubwürdigkeit gefordert und Orientierung am Gemeinwohl erwartet.
„Walk your talk“
würden die Amerikaner sagen.
-
Die CVP muss in ihrem
Politisieren klar machen, was sie unter christlichen Werten versteht.
Sind das letztlich unverrückbare, traditionell-konservative
Wertvorstellungen oder können es auch christlich verantwortete offene
und liberale Werte sein?
-
Ist die CVP eine Partei
des Dialoges und des offenen gesellschaftlichen Diskurses? Einer der
Prüfsteine ist ihre Rolle im heute eminent wichtigen interkulturellen
und interreligiösen Dialog.
-
Wie hilft die CVP zu
sichern, dass unsere Gesellschaft auch morgen noch über genügend
gesellschaftliche Gemeinsamkeiten und über genügend Menschen mit
moralischer Substanz verfügt? Unterstützt sie die Kirchen in ihrem
diesbezüglichen Beitrag?
Werte Damen und Herren,
Sie tragen heute die Verantwortung für die Gestaltung einer
lebenswerten Zukunft.
Ich danke Ihnen für Ihre
Geduld beim Zuhören, und ich bin Ihnen noch mehr dankbar, wenn Sie den
einen oder anderen Denkanstoss in Ihrem Herzen weiter bewegen. Ich wünsche
Ihnen einen guten Abend und viel Erfolg in Ihrer Parteiarbeit.
Danke.