Artikel in "Doppelpunkt",
Mitarbeiterzeitschrift der
Evang.-ref. Kirche des
Kantons St. Gallen, Ausgabe
Januar 2004
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Die
"Reformierte Presse",
die Wochenzeitung der Evangelisch-reformierten Kirchen der
deutschsprachigen Schweiz, hat verschiedene Exponenten aus dem
kirchlichen Bereich eingeladen, persönliche Gedanken zur finanziellen
Situation ihrer "Unternehmungen" nieder zu schreiben. Hier der Beitrag
unseres Kirchenratspräsidenten, Pfr. Dr. Dölf Weder.
Mit gleich bleibenden oder
sinkenden Finanzen rechnen
Für einzelne Schweizer Kirchen ist es bereits
Realität, andere werden in den nächsten Jahren davon betroffen sein:
Gleich bleibende oder sinkende finanzielle Mittel auch in der Schweiz.
Das hat mit Kirchenaustritten, aber auch mit der Altersstruktur der
reformierten Bevölkerung und mit staatlichen Entscheiden zu tun. Das
Bewusstsein für die Konsequenzen dieser Perspektive ist bei uns noch
wenig entwickelt. Ganz selbstverständlich rechnen wir mit
Teuerungsausgleich und neuen Initiativen ohne Aufgeben bisheriger. Zu
bedenken sind auch die langfristigen Zins-, Amortisations- und
Unterhaltspflichten.
Sparen ist kein Ziel
Manche machen das Sparen zum Ziel. Es ist aber kein
Ziel – sonst stellen wir den Betrieb besser gleich ein, das ist am
billigsten. Die richtige Frage lautet: Wie setzen wir die zugänglichen
Mittel so ein, dass wir unseren Auftrag und unsere Ziele bestmöglich
erfüllen? Das setzt voraus, dass wir wissen, was unser Auftrag und die
Ziele sind. In Zeiten schwindender Finanzen ist ein Identitätsnebel
gefährlich. Er führt zu internen Verteilkämpfen und verzetteltem Einsatz
der Mittel.
Auftrag und Ziele klären
Erste Aufgabe vor oder in Zeiten knapp werdender
Finanzen ist deshalb, zu beten und sich miteinander zu einigen, was der
biblische Auftrag christlicher Gemeinde ist und welche Hauptziele in der
je spezifischen kirchlichen und gesellschaftlichen Realität verfolgt
werden sollen. Es geht um inhaltliches kirchliches Leben. Anschliessend
sind die verfügbaren Mittel entsprechend zuzuordnen.
Radikales Umdenken gefordert
Von uns Schweizer Reformierten ist längerfristig ein
radikales Umdenken gefordert. Von vielem lieb Gewordenem werden wir uns
trennen müssen. Wir haben uns an eine gross dimensionierte bauliche und
personelle Infrastruktur gewöhnt. Wir haben eine Anspruchshaltung, die
längerfristig nicht finanzierbar ist. Wir nutzen ungenügend die
Möglichkeiten von Zusammenarbeit, Schwerpunktbildung und sich ergänzendem
Einsatz der verschiedenen kirchlichen Berufe, aber auch das Engagement und
den gabengerechten Einsatz von freiwillig Mitarbeitenden. Vor allem aber
denken wir in unseren Programmen oft zu wenig von den Menschen und ihren
Situationen her und lassen es an Menschennähe mangeln – und manchmal auch
an Gottesnähe. Verändern wir diese Dinge nicht, werden wir unter Spardruck
einfach unsere Aktivitäten ausdünnen, unser Geld in den Erhalt von
Tradition, Gebäuden und Infrastruktur stecken – und dabei oft gerade
kreative, nicht-traditionelle, diakonische, weltweite Solidarität lebende
Programme zum Sterben verurteilen.
Erstens sollen wir unsere gegenwärtig gegebenen
Möglichkeiten als Landeskirchen nicht schlecht machen, sondern einsetzen,
um eine für die Menschen und für die Gesellschaft relevante Kirche zu
sein, die zum christlichen Glauben steht und ihn lebt.
Zweitens sollen wir auf allen Ebenen an der betenden
Klärung unseres Auftrags und an der kristallklaren, schriftlichen
Formulierung unserer Ziele arbeiten, damit wir wissen, was unsere Mission
und unsere Prioritäten sind, und unsere Mittel entsprechend einsetzen.
Drittens sollen wir uns überlegen, wie wir unsere
Arbeit mit substantiell verringerten Mitteln tun würden und die nötigen
Instrumente bereitstellen, um gegebenenfalls zeitgerecht in diese Richtung
steuern zu können.
Und viertens sollen wir die oben erwähnten
Optimierungen bezüglich Menschennähe, Zusammenarbeit, freiwillig
Mitarbeitende usw. anpacken.
Es geht jetzt und in der Zukunft um farbiges
christliches Leben, um eine Kirche „nahe
bei Gott – nahe bei den Menschen“.