Medienkonferenz zu IDA -
Interreligiöse Dialog- und Aktionswoche im Kanton St. Gallen, St. Gallen
1. Juli 2005, St. Gallen
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Interreligiöses Zusammenleben
und interreligiöser Dialog sind für uns Kirchen und
Religionsgemeinschaften die grosse Herausforderung des 21.
Jahrhunderts – genau so wie es die innerchristliche Ökumene im
20. Jahrhundert war.
Weder Ausgrenzen des uns Fremden, noch sich Abschotten gegen das
Andere sind zukunftsfähig. Es gilt, unsere religiösen und kulturellen
Überzeugungen in ein dialogisches, sich gegenseitig verstehendes
Zusammenleben einzubringen.
Wir sind aufgerufen, auf dem Hintergrund unseres je eigenen Glaubens
Beiträge zu leisten für eine vielfältige, respektvolle und bestmöglich
integrierte Gesellschaft auf der Basis grundlegender humanitärer
Werte.
1. Die grosse
Herausforderung des 21. Jahrhundert
Interreligiöses Zusammenleben und
interreligiöser Dialog sind für uns Kirchen und Religionsgemeinschaften
die grosse Herausforderung des 21. Jahrhunderts – genau so, wie es die
innerchristliche Ökumene im 20. Jahrhundert war.
Wir Reformierten wollen uns dieser Herausforderung stellen.
2. Multi-kulturelle und
multi-religiöse Realität
Die Realität und die Zukunft auch
unserer Schweizer Gesellschaft ist multi-kulturell und multi-religiös – ob
uns das passt oder nicht. Wir sind zunehmend eine vielfarbige
Gesellschaft.
Die Frage ist, wie wir damit umgehen.
3. Ausgrenzung und
Abschottung sind keine Lösungen
Ausgrenzung auf der einen Seite und
Abschottung auf der anderen Seite sind keine Lösungen – und fördern vor
allem keine integrierte Gesellschaft. Sie entsprechen auch nicht
christlichen Überzeugungen.
Diese fordern Zuwendung zu allen Mitmenschen, friedvolles Zusammenleben
und verstehende Wertschätzung auch des uns Fremden.
4. Grundwerte - im
konkreten Zusammenleben zu leben
Jede Gesellschaft ist auf Grundwerte
angewiesen, die von allen in ihr Lebenden geteilt werden. Sie müssen im
Dialog immer wieder aktualisiert und im konkreten Zusammenleben gelebt
werden.
Als Christen sind wir überzeugt, dass wir Wesentliches zu diesem Dialog
und vielfarbigen Zusammenleben beizutragen haben, aber auch nicht mehr
einfach selbstverständlich das Monopol haben.
5. Konflikte nicht primär
durch Lehrstreitigkeiten verursacht
Konflikte zwischen Kulturen und
Religionsgemeinschaften sind nicht primär durch Lehrstreitigkeiten
verursacht.
Den Nährboden dafür schaffen handfeste Machtinteressen und demographische
Verschiebungen, Angst um Arbeitsplätze und wirtschaftliche Nachteile,
Armut und Ausgrenzung, sowie Gefühle kollektiver Demütigung.
Fundamentalisten und Ideologen nützen solche Situationen aus und versuchen
Menschen zu radikalisieren. Solche Radikalisierer finden wir im
christlichen wie im islamischen, aber auch im buddhistischen oder
hinduistischen Umfeld – und zum Beispiel auch bei atheistischen
Nationalisten und Ideologen.
Umso wichtiger ist es, quer durch alle Religionen und Weltanschauungen den
verstehenden Dialog und das friedvolle Zusammenleben zu fördern mit allen
Menschen guten Willens.
6. Entscheidend ist
angstfreies und gleichwertiges Zusammenleben
Positives interreligiöses und
interkulturelles Zusammenleben kann deshalb nicht allein durch einen
intellektuellen Dialog von Religionsvertretern gefördert werden.
Entscheidend ist, dass die Menschen ganz praktisch und im Alltag erleben,
dass sie angstfrei und gegenseitig als gleichwertig anerkannt miteinander
zusammen leben können – ja dass das sogar spannend und bereichernd ist.
Diese positive Haltung ist heute in unserer Gesellschaft nur ungenügend
gegeben. Daran müssen wir alle zusammen entschieden miteinander arbeiten.
7. Auf vielfältige Weise
kreativ und aktiv werden
Für uns
reformierte Christen und Kirchgemeinden bedeutet diese Situation eine
grosse Herausforderung.
Wir haben uns zwar inner-reformiert schon 1973 für das Ausländerstimmrecht
entschieden (wegen staatlicher Bestimmungen konnte es erst 2003 in Kraft
treten). Wir waren Pioniere im Fördern des Runden Tisches der Religionen
in der Ostschweiz. Wir haben hier in St. Gallen schon früh der
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen ACK den Auftrag erteilt, den
interreligiösen Dialog zu fördern. Wir fördern die Zusammenarbeit mit dem
DIGO* und seinen Einbezug in der politischen Gremienarbeit. Wir sind aber
trotzdem zurzeit für die aktuellen Herausforderungen des interreligiösen
Zusammenlebens noch ungenügend gerüstet.
Es gilt, als Reformierte noch auf viel vielfältigere Weise kreativ und
aktiv zu werden, um ein solches vielfarbiges Zusammenleben in unserer
Gesellschaft zu fördern.
IDA – die interreligiöse Dialog- und Aktionswoche – gibt uns dafür
einen guten Rahmen. Den wollen wir nützen.
* DIGO = Dachorganisation islamischer Gemeinden in der
Ostschweiz und im Fürstentum Liechtenstein