Sehr
geehrte Damen und Herren unserer Kirchenvorsteherschaften
Liebe
Kolleginnen und Kollegen
Wahrscheinlich blieb
niemand von uns unberührt von den sich überstürzenden
Ereignissen der letzten Wochen. Viele Kirchgemeinden und Gottesdienste
haben inzwischen die uns alle beschäftigenden Themen in der einen
oder anderen Form aufgenommen. Es scheint mir denn auch wichtig, dass
wir als Kirche, die "nahe bei Gott - nahe bei den
Menschen" sein möchte, in solchen Situationen nicht einfach
den courant normal weiter führen, sondern einen Moment innehalten und
miteinander darüber nachdenken, was unsere spezifischen
Beiträge zu ihrer Bewältigung sein sollen. Mit diesem Mail möchte
ich Ihnen hierzu in 3 Punkten einige kurze Impulse aus
kantonalkirchlicher Sicht geben.
Das
Thema unseres Zusammenlebens mit Menschen aus anderen
Kulturkreisen und Religionen hat im Gefolge des 11. Septembers und der
Angriffe in Afghanistan ganz neues Gewicht erhalten. Stark negative
Abstimmungsergebnisse bei Einbürgerungen in der zweiten Septemberhälfte
signalisieren die Dringlichkeit des Problems auch in der
Ostschweiz. Auf Ebene der Kantonalkirche stellen wir eine
steigende Zahl von Interview- und Stellungnahmewünschen von Presse
und elektronischen Medien fest. Es besteht berechtigte Furcht, dass
die gegenwärtige Situation sich zu einem Konflikt der Kulturen und
Religionen ausweiten könnte. Genau das aber darf nicht geschehen.
Fragen um Religion gehören zu unseren Kernkompetenzen. Darum
wird von uns erwartet, dass wir auf diesem Feld aktiv sind und
nicht einfach nur von der Seitenlinie her zuschauen und gute Ratschläge
erteilen.
Ich
bitte Sie deshalb zu überlegen, welche konkreten Schritte bei Ihnen
in nächster Zeit getan werden können, um in Ihrer Gemeinde den
Kontakt zu Menschen mit anderem religiösem und/oder
kulturellem Hintergrund zu suchen und zu verstärken.
Die
letzten Wochen haben wieder einmal gezeigt, dass die Menschen in Situationen,
in denen menschliche Grundwerte verletzt wurden, spezielle
gottesdienstliche Feiern und spirituelle Symbole suchen und als sehr
hilfreich empfinden. Das hat sich auch im Kanton St. Gallen in gut
besuchten Veranstaltungen dieser Art ausgedrückt. Bei der
Dargebotenen Hand ist in letzter Zeit die Anzahl von Anrufen deutlich
gestiegen, in denen Menschen einfach ein Gegenüber fürs Gespräch
suchen. Zur Zeit ist vor allem an die tragische Situation von
Millionen von Menschen in Afghanistan und in den Flüchtlingslagern
Pakistans zu denken, aber auch an die generelle Verunsicherung und an
Existenzängste bei uns. Unser Glaube lebt von der Hoffnung auf
eine Welt des Friedens und von der konkreten Erfahrung von
"einer trage des anderen Last".
Ich
bitte Sie deshalb zu überlegen, ob und wie in Ihrer Gemeinde
spezielle Friedensgebete oder Andachtszeiten angeboten, Kirchenräume
für Gebet und Gespräch geöffnet oder einfach im Rahmen der normalen
Kirchgemeindeaktivitäten diese Situationen aufgenommen werden können.
Ich verweise auch auf die angelaufene Dekade zur Überwindung von
Gewalt und die entsprechenden kurz-, mittel- und langfristigen Möglichkeiten
zur Aktion.
In den nächsten Wochen und Monaten verlieren tausende von
Angestellten bei Swissair und mit ihr verbundenen Betrieben ihren
Arbeitsplatz. Eine grosse Zahl von Menschen und deren Familien
werden noch vermehrt in seelisch schwierig zu bewältigende
Situationen und Unsicherheiten geraten. Das betrifft nicht nur die
Region Zürich, sondern auch viele unserer Gemeindeglieder im Kanton
St. Gallen.
Ich bitte Sie deshalb zu überlegen, ob es auch in Ihrer
Kirchgemeinde Menschen aus diesen Berufssektoren gibt, welche dies
sind und wie Sie in nächster Zeit auf sie seelsorglich
aktiv zugehen können.
Wir
leben in einer Zeit, in der die Menschen etwas von uns erwarten:
Menschliche Nähe und Hilfe zum Erfahren von Gottes und Christi Nähe
in einer bedrohten Welt - Kirche "nahe bei Gott - nahe bei
den Menschen".
Mit
bestem Dank für Ihr engagiertes Wirken.
Dölf
Weder