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Konflikte sind keine Schande

Zum Verhältnis von Vorsteherschaft und Pfarramt

 


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Kirchenbote Kanton St. Gallen, März 2007
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident

 

Im Jahr 2005 hat die Synode der Evang.-ref. Kirche des Kantons St.Gallen das Dienstverhältnis für Pfarrpersonen neu geregelt. In Wartau-Gretschins wurde das neue Verfahren erstmals bis zum Volksentscheid durchgezogen. Pfarrer Fridolin Schindler wurde mit 201 gegen 69 Stimmen klar abgewählt. Hat die neue Regelung ihre Feuertaufe bestanden? – Ein Gespräch mit Kirchenratspräsident Dölf Weder.

Kibo: Streit in der Kirchgemeinde – ist das christlich?
Dölf Weder: Konflikte gehören zum Leben, also auch zur Kirche, Streit gab es auch in der Urkirche. Die Frage ist, nach welchen Leitlinien und in welchem Geist Konflikte ausgetragen werden. Was die Rechtslage betrifft, ist unsere Regelung nicht unbiblisch. Verkündigung wie auch Gemeindeleitung sind bei Paulus Gnadengaben, geistliche Ämter. Da gibt es keine Hierarchie.

Wie hat sich die Stellung des Pfarramts im neuen Dienstreglement verändert?
Der Pfarrer hatte früher eine dominante Rolle und war auf Lebzeit gewählt. In Deutschland präsidiert er teils bis heute die Kirchenvorsteherschaft. Für unsere St.Galler Kirche ist das Modell der «gemeinsamen Gemeindeleitung» kennzeichnend. Pfarrerpersonen sind nicht übergeordnet, aber auch nicht nur Angestellte wie neuerdings in der Appenzeller Kirche, wo die Pfarrer von der Vorsteherschaft entlassen werden können. Bei uns ist das Verhältnis ein partnerschaftliches, und der letzte Entscheid liegt immer beim Kirchenvolk.

Braucht das Amt der Verkündigung nicht einen speziellen Schutz?
Das Neue Testament kennt keine unangreifbare Stellung des Verkündigers. Erst später hat der Klerus eine Machtstellung erhalten, die in der charismatischen Verfassung der paulinischen Gemeinden nicht vorhanden war. Die Gleichberechtigung liegt in der Logik der Reformation mit ihrer Idee des allgemeinen Priestertums. Unsere Kirchenverfassung garantiert aber die Freiheit der Verkündigung.

Hierarchien könnten Konflikte verhindern.
Ein Streit auf Augenhöhe ist oft heilsamer als eine über lange Zeit ertragene Spannung oder das Machtwort einer Obrigkeit. Unsere Regelung bietet für den Konfliktfall einen fairen Rahmen. Die Pfarrperson und die Vorsteherschaft haben gleich lange Spiesse. In Wartau-Gretschins hat der Pfarrer die Öffentlichkeit gesucht, die Vorsteherschaft verteidigte ihren Entscheid. Am Ende entschied die mündige Gemeinde, die das Amt der Verkündigung jemandem anvertraut, es ihm aber auch wieder nehmen kann. Der kantonale Kirchenrat fällt keinen Entscheid, er schaut nur, dass rechtlich alles korrekt abläuft.

Wie deuten Sie diese Veränderungen im Amtsverständnis?
Das ist ein Demokratisierungseffekt. Solche Veränderungen sind auch bei den Lehr- und Arztberufen festzustellen. Die formale Autorität gilt weniger, es wird inhaltliche Autorität gefordert: Leistung und Persönlichkeit.

Oft sind es auch einfach schwierige Konstellationen, die zu Konflikten führen.
Ja, darum soll das Volk das letzte Wort haben. Im subjektiven Urteil gibt es «schwache Pfarrer», «problematische Vorsteherschaften» wie auch «schwierige Konstellationen». Die Kirchgemeindeversammlung soll über individuellen Animositäten stehen, obwohl auch da gruppendynamische, massenpsychologische oder medienwirksame Kräfte wirken – wie bei politischen Wahlen.

Im Idealfall sollte der Streit intern gelöst werden?
Ein Streit, in den das Kirchenvolk verwickelt wird, ist keine Schande, sondern Preis der Demokratie. Für die Gemeinde wäre es besser, wenn man vorher zu einer Lösung kommt. Aber es geht um ein öffentliches Amt, darum wird der Streit im Eskalationsfall halt auch öffentlich, aber demokratisch ausgetragen.

Gibt es andere Gemeinden mit Konfliktpotential?
Sicher gibt es die. In jeder Beziehung zwischen Menschen muss man sich mit Spannungen auseinandersetzen. Solche Spannungen sagen aber noch nichts aus über die Qualität der Vorsteherschaft oder der Pfarrerinnen und Pfarrer. Es gibt auch Pfarrpersonen, die gegen aussen gut ankommen, intern aber wenig kooperativ sind. Dann wird eine Vorsteherschaft zurückhaltend bleiben. Der Leidensdruck muss schon sehr hoch sein, bis sie zur Kündigung schreitet.

Schlussendlich Ihr guter Rat?
Wie in einer Ehe, so braucht auch die Kirche eine Kultur mit der ganzen Bandbreite von diskutieren, verschiedener Meinung sein, mit Konflikten umgehen – bis hin zum Moment, wo es nicht mehr geht, und man versucht, sich in Anstand zu trennen. Darum legen wir viel Wert auf regelmässige Mitarbeitergespräche und auf die Möglichkeit von Supervision, Laufbahnberatung und Weiterbildung.
 

Interview: Andreas Schwendener

 

Faires Dienstverhältnis
Ein veraltetes Abwahlverfahren für Pfarrpersonen wurde in der St.Galler Kirche 1996 ersetzt durch die Möglichkeit, nach vierjähriger Amtsdauer die Gemeinde über die Wiederwahl entscheiden zu lassen. Die 2005 beschlossene Regelung schafft gleich lange Spiesse. Eine Kündigung kann jederzeit angedroht werden, wobei der Pfarrperson Zeit bleibt, sich neu zu orientieren oder das Kirchenvolk entscheiden zu lassen.
(as)

 



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     www.weder.ch     Last updated: 27.12.23

   
Inhalt

Streit

Stellung des Pfarramts

Schutz

Hierarchien

Amtsverständnis

Konstellationen

Streitschlichtung

Konfliktpotential

Guter Rat

Faires Dienstverhältnis

 

 

Konflikte gehören zum Leben, also auch zur Kirche.

 

 

Unsere Kirchenverfassung garantiert die Freiheit der Verkündigung.

 

 

 

Ein Streit auf Augenhöhe ist oft heilsamer als eine über lange Zeit ertragene Spannung.

 

 

Die formale Autorität gilt weniger, es wird inhaltliche Autorität gefordert.

 

Es geht um ein öffentliches Amt, darum wird der Streit im Eskalationsfall halt auch öffentlich, aber demokratisch ausgetragen.

 

 

In jeder Beziehung zwischen Menschen muss man sich mit Spannungen auseinandersetzen.

 

 

Auch die Kirche braucht eine Kultur mit der ganzen Bandbreite von diskutieren, verschiedener Meinung sein, mit Konflikten umgehen - bis hin zum Moment, wo man versucht, sich in Anstand zu trennen.