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Die Rolle der Katechetik in Gesellschaft und Kirche

Ansprache zum 30-Jahr Jubiläum des Katechetischen Instituts St. Gallen (KISG)

 

 

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Samstag, 23. Oktober 2004, Pfalzkeller St. Gallen
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident

 

Die gesellschaftliche Notwendigkeit gemeinsamer Werte und Normen

Liebe Jubiläumsgäste

Es war kurz vor der heiss umstrittenen Abstimmung über die Einbürgerungsvorlagen. Da hat die Zeitung „Blick“ am 22. und 23. September dieses Jahres auf der Titelseite zweimal in Grossformat Fotos eines SVP-Nationalrats aus dem Wallis gebracht. Ihm wurde beide Male eine lange Pinocchio-Nase anmontiert. Dazu kamen die Schlagzeilen: „Er lügt – und ist noch stolz darauf!“ und am nächsten Tag „SVP Lügenrat Freysinger – seine Nase wächst weiter!“

Inhaltlich ging es um das Abstimmungsplakat der Jungen SVP des Kantons Wallis. Es zeigte eine Schweizer Identitätskarte mit Bild und Name von Bin Laden, suggerierend, dass bei Annahme der Einbürgerungs-Vorlagen selbst Bin Laden automatisch Schweizer werden könnte, oder dass die künftig Einzubürgernden kleine Bin Ladens seien. Das war Abstimmungskampf, wie er in der Schweiz heute geführt wird.

Was mich bewegt, diese Sache an unserem KISG-Jubiläum zu erwähnen, sind zwei in den Blick-Artikeln referierte Zitate dieses Nationalrats.

Die erste Aussage: „Eine schön präsentierte Lüge ist besser als eine schlecht formulierte Wahrheit.“

Freysinger hat die Urheberschaft dieses Satzes zwar nachher bestritten. Gemäss „Blick“ haben sie zwei Anwälte jedoch bestätigt.

Und die zweite Aussage Freysingers besagte nach „Blick“, „dass die Grenze das Strafgesetzbuch sei - ’alles andere ist erlaubt.’“

Das sind Worte eines vom Volk gewählten Nationalrats, der die Geschicke unserer Schweiz und ihrer Gesellschaft an entscheidender Stelle mitbestimmt.

Was hat das mit unserem KISG-Jubiläum zu tun? Ich meine sehr viel.

Ich glaube, wir sind uns alle einig: Eine Gesellschaft ist dringend auf gemeinsame Grundsätze angewiesen, auf Werte und Normen, die von allen ihren Mitgliedern gemeinsam getragen werden.

Ein solcher elementarer Grundsatz dürfte sein, dass Wahrheit und Ehrlichkeit gefördert und dass Lügen bekämpft, eventuell bestraft werden. Das sollten bereits Kinder irgendwo lernen.

Ich habe auch bereits als Student in einer der ersten Vorlesungen in Recht hier an der Uni St. Gallen gelernt, dass Gesetze zwar im Sinne von Grenzen und Zäunen festlegen können, was Recht und was Unrecht ist, und was allenfalls bestraft werden muss. Sie können aber keine Ethik für eine Gesellschaft schaffen. Ethische Überzeugungen sind jedem Recht vorgelagert. Sie äussern sich in der Rechtssetzung, sie bestimmen, was als Recht und was als Unrecht gelten soll.

Solche Überzeugungen ändern sich während der Zeiten und als Konsequenz mit ihnen, was als Recht gilt. Die resultierenden Rechtsnormen können dabei nie alles erwünschte Verhalten abdecken. Was nicht verboten ist, muss noch lange nicht ethisch erwünscht sein. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Schwangerschaftsabbruch. - Oder alle Anstandsregeln.

Jede Gesellschaft ist unabdingbar darauf angewiesen, dass es in ihrem Raum gemeinsam getragene ethische Grundüberzeugungen und Verhaltensweisen gibt.  Eine lebenswerte Gesellschaft besteht darin, dass eine möglichst grosse Zahl ihrer Mitglieder diesen Regeln und Überzeugungen ganz selbstverständlich nachlebt.

Nationalrat Freysinger und all seinen Gesinnungsgenossen ist deshalb laut und öffentlich zu widersprechen, - gerade auch als Kirche und gerade auch im Interesse unseres Schweizer Gemeinwesens und seiner Zukunft.

 

Das Woher gemeinsamer Werte und Normen

Wie aber kommt es denn zur Ausbildung einer solchen, von einer Gesellschaft gemeinsam getragenen Ethik und Gesinnung?

Seit Urzeiten haben die Religionen hierbei immer wieder ganz entscheidende Beiträge geleistet. Das gilt auch heute noch.

Wir können zum Beispiel die ethischen Vorstellungen im Raum der islamischen Staaten mit jenen des auf dem Boden des Christentums gewachsenen Abendlandes vergleichen. Da gibt es sehr viele Unterschiede.

Sie beruhen ganz offensichtlich auf unterschiedlichen religiösen und ethischen Anschauungen und Entwicklungen.

Philosophische Schulen und ideologische Bewegungen, wie etwa der Kommunismus, haben ebenfalls ethische Systeme mit beeinflusst und geprägt.

Und wer vermittelt diese Wertvorstellungen und ethischen Systeme? Eine ganz zentrale Rolle kommt neben den Familien, Kirchen und Medien sicher den Schulen zu.

Die Schulen tun darum sehr wohl daran zu überlegen, auf welchen Normen und Wertsystemen sie ihre Arbeit aufbauen.

Im St. Gallischen Volksschulgesetz ist der Entscheid unseres Kantonsparlaments in dieser wichtigen Frage schriftlich festgehalten: Er lautet: „Schule auf christlicher Grundlage“.

Wer stellt nun aber sicher, dass in unseren Schulen solche Werte auch wirklich gelehrt und gelebt werden? Das ist die Aufgabe aller Lehrkräfte – und natürlich der Behörden und Lehrerausbildungsstätten.

Und wer stellt denn sicher, dass langfristig noch gewusst wird, was denn dieses Christliche überhaupt ist? Wer nährt und pflegt die Wurzeln unseres auf christlich-humanistischen Grundlagen gewachsenen Gemeinwesens, wie es unsere Kantonsverfassung beschreibt?  Hier haben sicher die Kirchen einen ganz bedeutenden Beitrag zu leisten. Nicht nur sie, aber vor allem auch sie.

Und damit sind wir nun beim Dienst der Katechetinnen und Katecheten, Religionslehrerinnen und Religionslehrer. Sie sind eine Art „Agenten“ der Kirchen, wenn man das so sagen darf. Sie sind von den Kirchen beauftragt,
von ihnen bezahlt, und sie agieren auf der Basis des öffentlichen Lehrplans im Namen der Kirchen. Während zwei Stunden pro Woche haben sie auf fast allen Schulstufen Gelegenheit, genau an diesem hoch wichtigen kirchlichen Dienst an der ganzen Gesellschaft mitzuwirken.

Um diesen Einsatz heute fachlich kompetent leisten zu können, braucht es ein sehr hohes Qualitätsniveau. Es muss der Umgebung in den Schulen absolut ebenbürtig sein.

Wir sprechen von der Katechetik nicht als von der Tätigkeit einiger gut meinender, nette Geschichten erzählenden Hausfrauen. Diese Hausfrauen, sofern sie es denn sind, verfügen heute über eine qualitativ hoch stehende Ausbildung als Religionsunterricht erteilende Lehrkräfte. Sie sind zu regelmässiger Weiterbildung verpflichtet und sollen sich neben dem eigentlichen Unterricht sichtbar und wirksam in das gesamte Leben ihres Schulhauses mit einbringen.

Das KISG hat bereits vor 30 Jahren Pionierarbeit geleistet und tut es noch heute. Dazu möchte ich allen Beteiligten ganz herzlich gratulieren und ihnen noch mehr den tief empfundenen Dank des Kirchenrates und unserer ganzen Kantonalkirche ausrichten.

Im Sinne meiner vorherigen Ausführungen, hat das KISG, haben dessen Verantwortliche und Dozentinnen und Dozenten, haben aber auch alle am KISG ausgebildeten Katechetinnen und Katecheten nicht nur der Kirche, sondern auch unserer ganzen Gesellschaft sehr entscheidende Beiträge geleistet. Ganz herzlichen Dank – und weiter so!

 

Der Beitrag für den Glauben der Schülerinnen und Schüler

Ich habe jetzt bisher vor allem die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Katechetik hervor gehoben.

Natürlich gibt es über sie hinaus, aber auch eng verbunden mit ihr, den Beitrag, den die Katechetik für die Kirchen selber leistet - oder genauer gesagt: für den Glauben der Schülerinnen und Schüler.

Neben den Einflüssen in der Familie, in Sonntagsschule, Gottesdiensten, Jugendgruppen usw. gehört der Religionsunterricht sicher zu jenen Orten im Leben junger Menschen, die ihren Glauben wesentlich prägen und fördern. Im Religionsunterricht sollen sie zu den Tiefen des Lebens hingeführt werden, zu Fragen nach dem Sinn, nach dem, worauf es im Leben ankommt, nach dem, was uns trägt und begleitet. Es geht um Glauben, um Gott, um Jesus Christus. - Eine ganz wichtige und herausfordernde Aufgabe!

Unser Strategiepapier „St. Galler Kirche 2010“ weist denn auch in Schwerpunkt 6 der Katechetik eine zentrale Rolle zu.

 

Auftrag und Dank

Ich komme zum Schluss dieses Votums und möchte einfach nocheinmal betonen: Wir dürfen unsere Welt und Gesellschaft nicht Haltungen überlassen, wie sie anscheinend heute selbst von Nationalräten und ihren Gesinnungsgenossen vertreten werden.

Wir haben als Kirchen einen grossen Auftrag. Er bezieht sich auf das Glaubensleben der Menschen. Aber er bezieht sich auch auf die Gestaltung unseres gesamten gesellschaftlichen Alltagslebens mit den darin wirksam werdenden ethischen Überzeugungen und Verhaltensweisen.

Allen, die in den letzten 30 Jahren in irgendeiner Form am KISG und in der Katechetik tätig waren, nocheinmal ein ganz herzlicher Dank.

Und setzt euch weiter ein für unseren im Alltag der Welt wirksam werdenden christlichen Glauben und für eine in der heutigen Welt präsente Kirche „nahe bei Gott – nahe bei den Menschen“.

Danke.

 



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Inhalt

Die gesellschaftliche Notwendigkeit gemeinsamer Werte und Normen

Das Woher gemeinsamer Werte und Normen

Der Beitrag für den Glauben der Schülerinnen und Schüler

Auftrag und Dank

 

 

 

 

Eine Gesellschaft ist dringend auf gemeinsame Grundsätze angewiesen, auf Werte und Normen, die von allen ihren Mitgliedern gemeinsam getragen werden.

 

 

 

 

Ethische Überzeugungen sind jedem Recht vorgelagert. Sie äussern sich in der Rechtssetzung, sie bestimmen, was als Recht und was als Unrecht gelten soll.

 

 

 

 

 

Eine lebenswerte Gesellschaft besteht darin, dass eine möglichst grosse Zahl ihrer Mitglieder diesen Regeln und Überzeugungen ganz selbstverständlich nachlebt.

 

 

 

Seit Urzeiten haben die Religionen bei der Ausbildung einer solchen, von der Gesellschaft gemeinsam getragenen Ethik und Gesinnung ganz entscheidende Beiträge geleistet. Das gilt auch heute noch.

 

 

 

 

Die Schulen tun sehr wohl daran zu überlegen, auf welchen Normen und Wertsystemen sie ihre Arbeit aufbauen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Das KISG und die Katechetik haben nicht nur der Kirche, sondern auch unserer ganzen Gesellschaft sehr entscheidende Beiträge geleistet.

 

 

 

 

 

 

 

Im Religionsunterricht sollen junge Menschen zu den Tiefen des Lebens hingeführt werden,  zu Fragen nach dem Sinn, nach dem, worauf es im Leben ankommt, nach dem, was uns trägt und begleitet.

 

 

 

 

 

 

Der Auftrag der Kirchen bezieht sich auf das Glaubensleben der Menschen. Aber er bezieht sich auch auf die Gestaltung unseres gesamten gesellschaftlichen Alltagslebens mit den darin wirksam werdenden ethischen Überzeugungen und Verhaltensweisen.