Artikel des Projektverantwortlichen
im Newsletter IV der
Konkordatsreform, September 2004
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Nun sind die wichtigsten Weichen also gestellt. Im
nächsten Jahr beginnt die Umsetzung der
Konkordatsreform. Und in wenigen Jahren werden bereits junge
Pfarrerinnen und Pfarrer in unseren Gemeinden tätig, die ihr Studium und
das Vikariat ganz nach der neuen Ausbildungsordnung absolviert haben.
Das bedeutet auch Herausforderungen und neue Chancen für die
Kirchgemeinden.
Die revidierte Ausbildung denkt vom Ende her: Was
braucht es, um an deren Ende in der heutigen Welt und Gesellschaft
Pfarrerin oder Pfarrer zu sein, glaubhaft unseren christlichen Glauben
zu leben und im Alltag von Kirche und Gesellschaft zu bezeugen? Das ist
nicht nur eine Frage von theologischem Fachwissen, sondern ebenso eine
von Persönlichkeit, Haltungen, Berufsverständnis, Kirchenverständnis –
und eine Frage des persönlichen Glaubens und des lebenslangen Wachsens
in ihm.
Die neu Ausgebildeten werden sich intensiver als
bisher gerade auch mit diesen Fragen auseinander gesetzt haben. Der das
ganze Studium und die ersten Amtsjahre durchziehende Portfolioansatz
verlangt von ihnen ständige Selbstreflexion, Konzentration auf die
eigenen Stärken, Kompetenzen und deren lebenslange Entwicklung. Sie
werden ihre Schwerpunkte auch in der Gemeindearbeit einbringen wollen.
Sie werden ihr Pfarrersein mit einem individuelleren Profil als ihre
Vorgängerinnen und Vorgänger gestalten und leben, verstärkt Schwerpunkte
setzen, regional zusammenarbeiten und sich gegenseitig ergänzen.
Viele der „Neuen“ werden Theologie als Zweitstudium
abgeschlossen haben, bereits viel Lebenserfahrung und spezifische
Erfahrungen in einem anderen Beruf mitbringen. Rund die Hälfte wird
Frauen sein, ein grosser Teil der Pfarrerinnen und Pfarrer einen Partner
oder eine Partnerin haben, die in einem anderen Beruf tätig ist.
Flexible Teilzeitanstellungen werden gefragt sein. Neben der
Kirchgemeinde werden andere Orte, an denen sich Kirche ereignet – neue „lieus
d’église" – noch wichtiger werden. Das können Spezialdienste sein, aber
auch Schwerpunktaufgaben in einem regionalen, kantonalen oder gar
nationalen Kontext.
Unsere kirchliche Arbeit wird in den nächsten Jahren
noch viel flexibler und vielfarbiger werden. Sie wird ein lebendiges
Zusammenwirken vielfältiger Menschen, Berufsgruppen und Talente bringen.
Eine grosse Bereicherung für eine Kirche, die für die vielerlei Menschen
in einer neuen und sich rasant verändernden Gesellschaft relevant sein
will.
Was wird bleiben? Bleiben wird unsere Identität als
Christusgemeinschaft und unsere Mission, unser Auftrag in der Welt. Ihn
auch in einer sich verändernden Welt und Gesellschaft glaubhaft und
relevant zu leben, dazu will die Konkordatsreform einen Beitrag leisten.
In der St. Galler Kirche formulieren wir ihn so: Kirche sein
„nahe
bei Gott – nahe bei den Menschen“.