Ansprache an der Diplomfeier der
Musikakademie St. Gallen
Freitag, 6. Juli 2005, Historischer Saal Bahnhof St. Gallen
Stiftungsrat Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Musik verbindet Menschen von Seele zu
Seele
Liebe Musikerinnen und Musiker,
werte Gäste
Jetzt ist es also geschafft!
Sie als Studierende haben Ihr lange anvisiertes Ziel
erreicht. Sie haben hart dafür gearbeitet. Nun haben Sie die
musikalische Reife erlangt. Und zur Bestätigung dafür erhalten Sie heute
Ihr Diplom.
Und Sie als Lehrkräfte, Schulleiter und Stiftungsräte
haben erfolgreich junge Talente gefördert. Sie haben sie über mehrere
Jahre begleitet - auf musikalische und menschliche Entwicklung bedacht.
Im Namen des Stiftungsrates der
Musikakademie St.
Gallen gratuliere ich Ihnen allen dazu ganz herzlich. Ich drücke
Ihnen unsere Hochachtung für Ihre Leistungen aus. Und ich danke Ihnen
für Ihr grossartiges Engagement.
Freuen Sie sich über das Erreichte! Freuen Sie sich an
der Musik! Sie ist eine grossartige Gabe Gottes zur Nährung und zur
Erfüllung der menschlichen Seele.
Gute Musik kommt aus dem ganzen Menschen des Musikers,
und sie spricht den ganzen Menschen des Zuhörenden an.
Das Kriterium für gute Musik ist nicht so sehr, wie
virtuos oder gar akrobatisch die Instrumenten- oder Stimmbeherrschung
ist. Nicht so sehr, wie ausgeklügelt der Parcours der Akkordfolgen
absolviert wird. Natürlich ist das auch wichtig. Darum haben Sie ja
schliesslich so viele Stunden ausdauernd im stillen Kämmerlein geübt.
Aber das Hauptkriterium guter Musik ist für mich, ob
sich im Musizieren der musizierende Mensch zeigt, ob er sich engagiert
und ausdrückt, ob er spürbar, und damit auch verletzlich wird.
Solche gute Musik ist auf Kommunikation, ja auf
Interaktion angelegt, auf Zuhörende, die sich ihrerseits auf diese
ganzheitliche Kommunikation einlassen, sich ihrerseits öffnen und sich
von der Musik in ihrer Seele berühren lassen.
Musik verbindet Menschen von Seele zu Seele.
Liebe Musikerinnen und Musiker, freut euch, dass Ihr
das Können und das Privileg habt, mit dieser einzigartigen
Kommunikationsform Musik in Beziehung mit so vielen Menschen zu treten.
Vergesst auch in den kommenden Jahren der manchmal
halt auch knochenharten Zeiten der Berufsausübung nicht diese ganz
genuine, tiefe Freude am Musik Machen. Gebt euch den Tönen hin,
geniesst sie. Sie sind Gottes Gabe für aufnahmebereite Menschen.
Vergesst nie, was für ein grossartiges
Kommunikations-Instrument
euch mit eurer Musik zur Verfügung steht.
Denn: Musik verbindet Menschen von Seele zu Seele.
Schweizer Pionierleistung der
St. Galler Kirchenmusikschulen
Nun habe ich aber als Stiftungsrat der Musikakademie
und noch mehr als Pfarrer und Kirchenratspräsident der
Evang.-ref. Kirche des
Kantons St. Gallen noch eine ganz besondere Freude mit euch zu
teilen.
Die Musikakademie St. Gallen, und mit ihr die beiden St. Galler
Kirchenmusikschulen DKMS und
EKMS,
schreiben nämlich heute Schweizer Kirchengeschichte.
Erstmals in der Geschichte der Schweizer Kirchen
erhalten heute sieben Musikerinnen und Musiker öffentlich anerkannte
Diplome für populäre Musik in der Kirche.
Ich darf euch Sieben, wie euch Verantwortlichen der
DKMS und der EKMS, zu dieser Pionierleistung ganz herzlich gratulieren.
Ein besonderer Dank geht an die Jazzschule St. Gallen
und ihre Studierenden. Die offene Aufnahme unserer „Sakro-Popper“
und die zunehmende Interaktion untereinander haben ganz wesentlich zum
Erfolg dieses neuen Lehrgangs beigetragen. Hier wurden vielfältige
Synergien ausgenützt. Wir wollen sie unter dem gemeinsamen Dach der
Musikakademie auch weiterhin intensiv nutzen.
Erlauben Sie mir dazu einen kurzen bildungspolitischen
Exkurs: Diese Pionierleistung wurde nur dadurch möglich, dass
sich das Bistum
St. Gallen und die
Evang.-ref. Kirche des Kantons St. Gallen - unter dem Dach der
Musikakademie St. Gallen - nach wie vor eigene
Kirchenmusikschulen leisten; dass zweitens eine enge Kooperation mit
der
Jazzschule möglich ist; und dass die Studierenden drittens von
kantonalen Subventionen profitieren können.
Die Tatsache dieser St. Galler Pionierleistung ist ein
Beispiel und ein Argument dafür, wie wichtig es ist, dass in der
Ostschweiz auch weiterhin musikalische Ausbildung auf hohem Niveau
angeboten wird. Wir Kirchen, die Migros, und bisher auch der Staat,
wollen unsere St. Galler Musikbildungsstätte
Musikakademie
weiter stärken und pflegen. Wir wollen das nicht einfach anderen
Kantonen und Regionen überlassen und unsere Studenten und unser Geld
auswärts senden.
In den nächsten Monaten und Jahren werden in unserem
Kanton weitere wichtige bildungspolitische Entscheide getroffen, die
auch die Zukunft unserer Musikakademie nachhaltig beeinflussen werden.
Wir führen zurzeit diesbezüglich in verschiedener
Richtung Verhandlungen. Deren Fortgang stimmt uns zuversichtlich, dass
der Ostschweiz die St. Galler Musikakademie erhalten bleibt, ja, dass
sie aus diesen Prozessen sogar gestärkt hervorgehen könnte.
Ich darf Ihnen hier ganz offiziell das volle
Engagement der beiden Kirchen in dieser Sache bestätigen. Wir wollen
hier in St. Gallen auch weiterhin - und weiterhin in enger ökumenischer
Zusammenarbeit - Kirchenmusikerinnen und –musiker ausbilden, und zwar
sowohl mit traditionellem wie mit populärem Schwerpunkt. Und wir wollen
uns für den Weiterbestand und die weitere Entwicklung der Musikakademie
St. Gallen einsetzen.
Zur Rolle der Kirchenmusik in den
Kirchen
Ich benütze die Gelegenheit in diesem Zusammenhang
gern, Sie auf einige Entwicklungen in der Musikwelt der Kirchen
hinzuweisen. Sie könnten auch für Ihre berufliche Tätigkeit interessant
sein.
Ich zeichne Ihnen die Entwicklungen am Beispiel der
evangelischen
Kantonalkirche St. Gallen auf. Sie spielt in diesem Thema zur Zeit
eine Vorreiterrolle. Ähnliche Entwicklungen sind aber auch in der
katholischen Kirche und in anderen Kantonalkirchen zu beobachten
Die erste zu erwähnende Entwicklung ist eine Bewegung
von der klassischen Kirchenmusik zur gleichwertigen Pflege einer
Vielfalt von Musikstilen in der Kirche, und dies auf hohem musikalischem
Niveau.
Die zweite zu erwähnende Entwicklung ist eine
Aufwertung der Rolle der Musikerinnen und Musiker in der Kirche. Sie
werden neben Pfarrpersonen, Katechetinnen und sozial-diakonisch
Mitarbeitenden zunehmend als vierte, gleichwertige, im kirchlichen
Programmbereich tätige Berufsgruppe gesehen. Das hat Auswirkungen auf
ihre Rolle, aber auch auf Bezahlung und Anstellungsbedingungen.
Zur Verdeutlichung dieser Entwicklungen lese ich Ihnen
Artikel 4 aus dem Entwurf zu unserem neuen Kirchenmusikreglement vor:
Artikel 4: Vielfalt musikalischer Stilrichtungen
und Zielgruppen
1 Die vielfältigen Arbeitsfelder der Kirche erfordern die Pflege einer
Vielfalt von musikalischen Stilrichtungen wie traditionell,
zeitgenössisch, populär usw. Sie sollen gleichwertig und mit den
gleichen Qualitätsansprüchen gepflegt und entschädigt werden. Ihr
Einsatz ist auf den Charakter und die Zielgruppen der einzelnen
Veranstaltungen abzustimmen.
2 Die Kirchgemeinden sind in ihren Personalentscheiden dafür besorgt,
dass in ihrer kirchgemeindlichen Arbeit diese Vielfalt musikalischer
Stilrichtungen und Zielgruppen fachlich kompetent abgedeckt ist. Das
kann erfolgen durch den Dienst mehrerer Personen mit unterschiedlichem
musikalischem Profil oder durch den Einsatz von Personen mit einer
breiten stilistischen Kompetenz. Ein Dienstverhältnis kann sich auch auf
die Arbeit mit einer oder mehreren Zielgruppen wie Kinder, Jugend,
Kirchen- oder Gospelchor, Projektarbeit mit Erwachsenen u.a.
beschränken.
In Artikel 12 dieses Entwurfes lesen wir dann:
Kirchenmusikerinnen und –musiker dürfen bezüglich
Arbeitsbedingungen nicht schlechter gestellt werden als in der
Katechetik oder Sozialdiakonie Tätige.
Konkret bedeutet das eine Entlöhnung, die jener an
einer Musikschule entspricht.
Ich sage Ihnen das am heutigen Tag im Hinblick auf
Ihre künftige berufliche Tätigkeit. Es ist ja gar nicht immer so leicht,
als Musikerin oder Musiker das tägliche Brot zu verdienen und dabei auch
noch die eigenen musikalischen Träume verfolgen zu können.
Die beiden grossen Kirchen gehören im Kanton St.
Gallen zu den grössten Arbeitgeberinnen für Musikerinnen und Musiker.
Kürzlich haben gleich drei Kirchenmusiker einen
Kulturpreis des Kantons St. Gallen gewonnen.
In unserer evangelischen St. Galler Kirche geben wir
jährlich rund 2 Millionen Franken für Musikerlöhne aus.
Das Bistum St. Gallen hat etwa doppelt so viele
Mitglieder wie wir. Das heisst, dass allein in unserem Kanton Musikern
Arbeit für eine jährliche Lohnsumme von 5 bis 6 Millionen Franken
angeboten wird. Hinzu kommen noch die Entschädigungen für die
Ausrichtung punktueller Konzerte.
Wenn Sie das jetzt kombinieren mit der gegenwärtigen
Ausweitung der musikalischen Stile und mit der zunehmenden Vielfalt
musikalischer Tätigkeiten in den Kirchen - sie gehen heute weit über die
Begleitung
von Gottesdiensten hinaus –; und wenn Sie das kombinieren mit der
Aufwertung von Rolle und Tätigkeit der kirchlichen Musiker und den damit
verbundenen interessanten Anstellungsbedingungen; ja, dann lohnt es sich
auch für Sie als Absolvent beispielsweise der Jazzschule darüber
nachzudenken, ob nicht vielleicht eine Teilzeitanstellung bei einer
Kirchgemeinde oder bei einer Kantonalkirche eine musikalisch und
wirtschaftlich sehr attraktive Sache sein könnte.
Diese Idee wollte ich Ihnen am heutigen Tag einfach
noch in Kopf und Herz gepflanzt haben.
Keep on grooving!
Damit komme ich jetzt zum letzten Teil meiner Rede.
Als bloss Amateurmusiker, und auch das nicht besonders
guter, fragte ich natürlich unsere beiden kantonalkirchlichen Profis,
was man denn den Absolventen der Musikakademie bei einer solchen
festlichen Gelegenheit als Ermutigung weitergeben könnte.
Bei
Jonathan Schaffner, Konzertpianist, Organist und
Schulleiter der
Evangelischen Kirchenmusikschule (EKMS) wurde ich mit einem Satz
fündig,
der mir sehr übereinzustimmen scheint mit meinen Überzeugungen, die ich
im 1. Teil äusserte.
Jonathan schrieb mir als Kommentar zu den
Prüfungsergebnissen:
„Für mich lautet ein Grundtenor: Mut zur
Einfachheit!
Dann aber wirklich überzeugend musizieren.“
Wer Jonathan von seinem eigenen Klavier- und
Orgelspiel her kennt, weiss, wie stark er diesen Satz selber lebt. Und
wie überzeugend seine Musik deshalb immer wieder ist: Glasklar,
ausdrucksvoll und die Seele berührend.
So gebe ich euch denn diesen weisen Satz von Jonathan
mit auf euren weiteren Weg:
„Mut zur Einfachheit!
Dann aber wirklich überzeugend musizieren.“
Unser zweiter Mann,
Andreas Hausammann, ist
diplomierter Jazzer, Pianist mit renommierter eigener Company, und mit
einem 50% Pensum bei uns angestellt als
Beauftragter für populäre Musik in
der Kirche.
Er fasste sich auf meine Frage ganz kurz:
„Säg ene, sie söled eifach witter-groove!“
Das kann ich nur unterstützen: „Keep on swinging!“
So fasse ich zusammen:
Freut euch!
Musik verbindet Menschen von Seele zu Seele.
- und groovet witter! – mit Freud!
Merci.