Festakt zur Verleihung des "Goldenen
Violinschlüssels 2011" an Peter Roth
Ebnat-Kappel, 22. Oktober 2011
Würdigung von Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Lieber
Peter Roth
Geschätzte Festgemeinde
Als grosser Bewunderer von kreativen Musikern und anderen
Künstlerinnen und Künstlern frage ich mich immer wieder: Woher habt ihr
eigentlich eure Inspiration? Was bewegt und bereichert euch so tief,
dass ihr uns so tief bewegen und bereichern könnt?
Du, Peter, bist für mich ein Musterbeispiel eines solchen
inspirierten Menschen. Seit unserer ersten Begegnung hast du mich
fasziniert; ob du mich nun mit deiner Musik berührt hast, oder ob du mir
das Alphorn-Fa oder die Obertonreihe erklärt hast.
Du bist selber inspiriert und im Innersten bewegt. Darum
inspirierst und bewegst du uns in unserem Innersten.
Wenn ich dir heute als St. Galler Kirchenratspräsident den
Gruss und die Gratulation der Evang.-ref. Kantonalkirche überbringe, dann
hat das mit eben dieser Inspiration zu tun.
Du bist nämlich ein Mann der Kirche - in der tiefsten
Bedeutung dieses Satzes. Du verstehst dich auch als Mann der Kirche. Und
all deine wichtigen Konzerte finden in Kirchen statt.
Du hast mir schmunzelnd erzählt, wie du 1973 als
Sanitätssoldat in Grabs im Arrestlokal eingelocht warst. Über
den Grund haben wir miteinander gelacht.
Aber in diesem dunklen Raum im Kellergeschoss bist du auf
das Bibelwort des Propheten Jesaja gestossen:
„Das Volk, das im Finstern wandelt,
sieht ein grosses Licht.“ (Jes. 9,1)
Diese Inspiration war der Anfang deiner Komposition „St.
Johanner Wienacht“, die du für den Kirchenchor Alt St. Johann komponiert
hast. Sie führte dich später zur „Toggenburger Passion“ und zu vielen
deiner anderen Kompositionen.
Durch die jahrzehntelange Arbeit mit deinen Chören hast du
einen Stil entwickelt, der sich dadurch auszeichnet, dass er
verschiedenste Musikstile, Zeiten und Volkskulturen miteinander verbindet.
Scheinbar Getrenntes miteinander zu verbinden, ist ein Markenzeichen von
dir.
Dieses Inspirationserlebnis im Arrestlokal und deine Musik
ruhen auf zwei wichtigen Pfeilern; beides kirchliche Linien; sich
scheinbar widersprechende Linien. Du aber verbindest sie täglich
miteinander. Du bist ein zutiefst ökumenischer Christ.
Da ist zum einen deine Liebe zur Gregorianik und zur
katholischen Messliturgie. Sie prägen deine musikalischen Strukturen ganz
wesentlich. Das ist das katholische Element
Und zum andern ist da deine Prägung als Protestant. Vom
Wort her stehst du in der reformierten Tradition. Die Mündigkeit des
Menschen, seine eigene Meinung, sind dir sehr wichtig. Die Reformation
steht für dich für die Botschaft von der Befreiung des Menschen zur
Mündigkeit.
Diese zentrale Bedeutung des Wortes zeigt sich auch in
deiner Kompositionstechnik. Du arbeitest sehr lange an den Texten. Und
wenn die Texte dann einmal stimmen, dann fällt dir die Musik fast von
selber zu, hast du mir erzählt.
Und damit kommen wir zu einer noch tieferen Schicht deiner
Inspiration, zu deiner Quelle sozusagen.
Das Wort, der Gesang, die Stimme, sie sind vom Atem
getragen. Der Atem verbindet alles mit allem – weltweit.
In der zweiten Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments
haucht Gott bei der Erschaffung des Menschen dem Adam den Atem ein. Der
Atem erst macht den Menschen zum lebendigen Menschen.
Das hebräische Wort für Atem lautet „Ruach“. Es bedeutet
gleichzeitig Wind, sanfte Brise.
Dem Ruach entspricht im Neuen Testament der Geist, pneuma,
der Geist Gottes. Entsprechend kommt der Geist Gottes im Pfingstereignis
als brausender Wind über die Menschen.
Das lateinische Wort für diesen Geist lautet „spiritus“.
Und In-Spiration ist eben: vom Geist erfüllt zu sein.
Dieser selbe göttliche Atem, der Ruach, ist allen Menschen
eigen. Auch den Tieren. Und der Schöpfung überhaupt, soweit wir sie als
von Gottes Geist erfüllt und getragen verstehen.
Von daher, lieber Peter, ist es völlig klar, dass du in
deinem Leben sehr viel reisen musstest. Dass du fremde Völker und
Menschen kennen gelernt und mit ihnen Freundschaft geschlossen hast.
Ein besonders schönes Beispiel dafür ist deine Freundschaft
mit den Kalingas auf den Philippinen, und das partnerschaftliche Luminawa
Projekt, das daraus entstanden ist.
Wenn alle Menschen von demselben Atem getragen sind, dann
gehören sie alle zusammen, dann sind sie alle miteinander verbunden. Und
diese Zusammengehörigkeit, diese Verbundenheit, sollen sie auch leben.
Ein ganz hervorragendes Medium, solche Verbundenheit zu
leben, ist die Musik, ist das gemeinsame Musizieren.
Auf dieser Linie musste deine KlangWelt Toggenburg
von Anfang an in weltweiter Dimension entstehen. Sie hat ganz tiefe
theologische Wurzeln. Du weißt um sie. Du lebst sie. Sie inspirieren dich.
Und diese – deine - In-Spiration, dieser Geist, berührt,
bewegt und inspiriert dann uns.
All diese Gedanken führen ganz natürlich und logisch zum
nächsten musikalischen Beitrag in diesem Festakt. Du hast diese, deine
eigene Komposition, als Höhepunkt ausgewählt.
Es ist ein Schöpfungspsalm, Psalm 104. Er handelt von
diesem göttlichen Atem und trägt den Titel: „Din
Atem trait min Gsang“:
Mini Seel singt, ohni End,
de Schöpfigspsalm för di,
denn alles chunnt us dine Händ,
du bisch vor allem gsii. …
Din Atem trait min Gsang,
din Atem trait min Gsang.
Amen.
Es geht also um diesen Ruach, um den Atem Gottes, der alles
trägt, beseelt und miteinander verbindet, und so die Welt erschafft. Es
geht um den Atem Gottes, der uns berührt, bewegt und verbindet.
Lieber Peter,
ganz herzlichen Dank für all dein grossartiges Schaffen, für deine
wundervolle Musik, für deine lebendige Inspiration und für dein tiefes
christliches Zeugnis.
Danke.