Jubiläumsgottesdienst der Evang.-ref.
Kirchgemeinde Sargans-Mels-Vilters-Wangs, Sonntag, 15. März 2009
Predigt Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
A)
Haben Sie heute morgen schon getanzt?
Liebe Jubiläumsgemeinde
Haben Sie heute morgen auf dem
Weg in diese Kirche getanzt? Ich meine, waren Sie so glücklich und froh,
dass Sie sich nicht mehr halten konnten, und vor Glück tanzten, sangen,
und die ganze Welt umarmten?
Sie schütteln etwas irritiert
den Kopf. „Was soll diese komische Frage?“, fragen Sie sich. „Wieso
sollte ich auf dem Weg in die Kirche tanzen? Also erstens hatte ich
keinen Grund dazu, zweitens tanzt man auf dem Weg in die Kirche nicht
und drittens bin ich eh nicht so der Tanztyp.“
Ich sehe, ich habe kein Glück
mit dieser Frage. Lassen Sie mich eine andere stellen: Wann waren Sie in
Ihrem Leben letztmals so glücklich, dass Sie am liebsten gesungen,
getanzt und die ganze Welt umarmt hätten? - Und es vielleicht sogar
getan haben.
War das kürzlich? Ist es schon
lange her? Ist Ihnen das in Ihrem Leben noch nie passiert? Wünschen Sie
sich, dass Sie wieder einmal von Glücksgefühlen völlig überwältigt
werden? Gar etwas in Ekstase geraten?
Solche Momente des unbegrenzten
Glücks sind wohl im Leben der meisten von uns seltene Momente. Und darum
umso wertvollere Momente.
Und wenn wir es uns dann noch
leisten können, diesem Glücksgefühl einfach Raum zu geben, loszutanzen,
los zu singen, los zu umarmen und zu küssen, dann, ja dann, fühlen wir
uns wirklich wie im 7. Himmel.
Sind jüngere Menschen beim
Erleben solchen Glücks privilegiert? Überkommt euch, liebe
Konfirmandinnen und Konfirmanden, solche Ekstase häufiger als uns
bereits etwas ins Alter gekommene, wohl temperierte Erwachsene? Tanzt
ihr häufiger und vom Glück beseelter? Ekstatischer?
Wie alt Du auch sein magst -
geniesse diese Stunden und Minuten der ungebremsten Freude, ja der
Ekstase. Der Alltag wird Dich früh genug wieder in die wohltemperierte
Alltagsstimmung zurück rufen.
B) Ein
Raum des Daheimseins
Warum erzähle ich Ihnen das
alles, liebe Mitchristinnen und Mitchristen? Gut, wir sind heute hier zu
diesem Gottesdienst zusammen gekommen, weil wir ein freudiges Ereignis
feiern: den 50. Geburtstag dieser Kirche. Damals, am 15. März 1959, war
dieses Gebäude die freudige Verwirklichung eines langjährigen Traums der
Sarganser Evangelischen: eine eigene Kirche!
Das muss in der Tat ein
Freudentag gewesen sein! Ob damals Menschen aus Freude sogar getanzt,
gesungen und die Welt umarmt haben? Ich weiss es nicht, ich war nicht
dabei. Ich kann nur hoffen, dass sie damals auch etwas getanzt haben.
Und wir heute? Mir scheint, wir
sitzen im Moment ziemlich ruhig hier in diesem Gottesdienst. Losgetanzt
ist bisher noch niemand. Gesungen haben wir allerdings bereits. Aus
vollem Herzen? Na ja, die einen vielleicht etwas mehr, die anderen
weniger.
Wenn nicht Grund zum Tanzen, so
doch sicher Grund zur Freude und zur Dankbarkeit sind 50 Jahre Kirche
Sargans allerdings schon. Vor allem dann, wenn wir an all die vielen
Begebenheiten denken, die sich in diesen 50 Jahren hier abgespielt haben
und sich auch heute jede Woche hier abspielen.
Für sehr viele Menschen hier in
Sargans ist diese Kirche über die Jahre zu einer Art Daheim geworden.
Und sie wird es immer wieder.
Viele Menschen erlebten und
erleben in diesem Raum den schönsten Augenblick ihres Lebens, wenn sie
sich als Mann und Frau ihr Ja-Wort geben und fürderhin zusammen gehören.
Wahrscheinlich tanzen sie dabei noch nicht – das kommt später am Tag,
aber sicher umarmen sie einander.
Die Menschen treffen sich hier
in diesem schönen Raum von Freude und Dankbarkeit erfüllt, wenn sie ein
Kind zur Taufe bringen und damit das kleine Geschöpf dem liebenden Gott
anvertrauen. Sie wissen, dass das Kind einen Beschützer und Begleiter
braucht, der ihre eigenen Möglichkeiten übersteigt.
Als Konfirmandinnen und
Konfirmanden erleben junge Menschen im Daheim dieser Kirche den Übergang
ins Erwachsenenleben. Vielleicht wagen sie dabei – mag‘s auch noch etwas
zaghaft sein – ein Ja zum Angebot Gottes, sie in ihrem Leben zu
begleiten.
Menschen klagen in diesem
kirchlichen Daheim Gott ihr Leid, weil ein lieber Mensch von ihnen
gegangen ist. Sie erhoffen sich hier Zuspruch von Trost, und die
Erfahrung von Geborgenheit inmitten aufgewühlter Lebenswasser.
Menschen erleben in diesem Raum
des Daheims immer wieder die Gegenwart des lebendigen Christus; - wenn
sie sich zum Gottesdienst treffen, wenn ihnen das Evangelium gepredigt
wird, und wenn sie miteinander Brot und Wein teilen. Hier fühlen sie
sich mit Gott und mit der weltweiten Christusgemeinschaft verbunden.
50 Jahre Zwinglikirche Sargans
ist darum weit mehr als 50 Jahre Steine, Holz und Glas. Es bedeutet 50
Jahre Leben mit Gott und mit den Mitmenschen - als Kirchgemeinde und als
einzelne Christenmenschen.
Wenn wir heute feiern, dann
feiern wir zwar nicht in tanzender Ausgelassenheit. Aber wir feiern in
freudiger Dankbarkeit für alles, was in diesem Raum in den letzten 50
Jahren ein Daheim gefunden hat; in Dankbarkeit für alle Freude, aber
auch für alle Geborgenheit im Schmerz.
Dankbarkeit und Freude für ein
Gebäude ist nie nur Dankbarkeit und Freude für eine Baukonstruktion,
sondern Dankbarkeit und Freude
für das Leben, das in ihm ein Daheim findet - und die Bitte, dass dieser
Raum auch in den nächsten 50 Jahren so ein Raum des Daheimseins ist.
Unsere Freude ist heute eher
eine verhaltene, innerliche Freude als eine ekstatische, los tanzende
Freude.
C)
Davids Tanz vor der Bundeslade
Lassen Sie mich mit dieser
Bemerkung nocheinmal auf das Tanzen zurück kommen.
Mir kam in der Meditation und
Vorbereitung dieser Predigt immer wieder die alttestamentliche
Geschichte mit dem aus Glück und Begeisterung tanzenden König David in
den Sinn. Wir finden sie in der Bibel gleich zweimal erzählt, in 2.
Samuel 6 und in 1. Chronik 15.
Der König David hat da zwar
nicht aus Begeisterung über einen Kirchenbau getanzt. Einen solchen gab
es zu seiner Zeit noch gar nicht. Den ersten Tempel Israels hat erst
sein Sohn, König Salomon, gebaut. Insofern hinkt der Vergleich dieser
Geschichte mit unserem heutigen Jubiläum etwas.
Für den alten Glauben Israels
war immer bezeichnend, dass Gottes Gegenwart sich nicht auf einen
besonderen, für heilig erklärten Ort konzentrierte, oder Gott sich in
einem heiligen Gegenstand
anbeten liess. Im Gegenteil, das wurde als Götzendienst vehement
abgelehnt und bekämpft. Wir erinnern uns diesbezüglich an die
altbekannte Geschichte von Gottes Zorn über Israels Tanz um das goldene
Kalb.
Der Gott Israels war immer ein
mit-gehender Gott. Er begleitete Abraham aus dem Zweistromland nach
Israel. Er begleitete Josef nach und in Ägypten. Er begleitete Mose und
seine Schar durch das Rote Meer und durch die Wüste Sinai. Er führte
Josua ins Gelobte Land. Und er begleitete das Volk darauf bei der
Eroberung und Verteidigung des Landes Palästina.
In dieser alt-jüdischen
Tradition ist auch unser christlicher Gott bis heute ein mit-gehender
Gott, ein Gott, der mit uns im Alltag ist, der mit uns in der Familie
und im Beruf ist, ein Gott, der mit uns durch die Freuden und die Leiden
unseres Lebens geht.
Gott sitzt nicht einfach in
einem Kirchengebäude und wartet untätig, bis wir zu ihm kommen (oder
nicht zu ihm kommen), bis wir ihn verehren (oder ihn links liegen
lassen). Gott ist mit uns im Alltag.
Er sucht den Kontakt mit uns mitten im Alltag. Und auch wir können
Kontakt mit ihm haben, mitten im alltäglichen Leben in seiner Begleitung
unterwegs sein.
Das alte Israel besass keine
Kirchen und keine Tempel, höchstens einige Opferstätten.
Israel hatte dafür die Zehn
Gebote, in Stein gemeisselter Ausdruck von Gottes Willen, wie Menschen
sich untereinander und ihm gegenüber verhalten sollen.
Und Israel hatte ein Symbol für
die mit-gehende Gegenwart Gottes, für den Bund Gottes mit seinem Volk:
die Bundeslade.
Die Bundeslade war nichts
anderes als eine Kiste, in der zwei Tafeln mit den Zehn Geboten
aufbewahrt wurden.
Diese Bundeslade wurde stets
mitgeführt, beim Zug durch die Wüste ebenso wie beim Einzug in das
versprochene Land und bei dessen Eroberung.
Man konstruierte für die
Bundeslade ein transportables Zelt, die Stiftshütte. Darin wurde der
Schrein aufbewahrt. Gelegentlich musste man die Lade auch verteidigen
oder gar zurückerobern, nachdem sie von einem Feind verschleppt worden
war.
Mit der Zeit fiel die Bundeslade
aber in Vergessenheit, und während der Regierungszeit von König Saul
erinnerte man sich kaum noch an sie.
Für seinen Nachfolger, den
jungen König David, aber war die Lade
ein Symbol der Nähe Gottes, ein Symbol des mit-gehenden Gottes. David
war klar, dass die Anwesenheit der Bundeslade in seiner neuen Hauptstadt
Jerusalem für die Öffentlichkeit ein wichtiges Zeichen setzen würde:
Gott ist mit David und mit dem ihm ergebenen Volk.
Und so wurde der Schrein von
David in zwei Anläufen, - mit einer monatelangen Zwischenlagerung auf
einem Bauernhof – in einem festlichen Umzug nach Jerusalem gebracht und
dort in ein neu erbautes Zelt gestellt.
Und jetzt kommt eben die
Geschichte vom tanzenden König David. Wie schon der erste Teil dieses
Bundesladen-Transports, war auch dieser zweite Teil ein gewaltiger
Festzug. In der Bibel ist von Musik mit verschiedenen Hölzern aus
Wacholder, mit Leiern, mit Harfen und Pauken, mit Rasseln und Zimbeln
die Rede.
David selber ist unendlich
glücklich. In 2. Samuel 6 heisst es:
„David tanzte voller Hingabe
vor dem Herrn.
Er war umgürtet mit einem Priesterschurz aus Leinen.
Und so brachten David und ganz Israel
die Lade des Herrn hinauf unter Jubel
und unter Hörnerklang.“
Schon damals war aber so
hemmungslos gezeigte Freude in der Öffentlichkeit nicht ohne Probleme.
Und schon gar nicht als König und in einen Priesterschurz gekleidet.
Michal, die Tochter des
ehemaligen Königs Saul, blickte aus dem Fenster. Und als sie sah, wie
König David umherwirbelte und tanzte, fand sie das völlig daneben.
Sie geht hinaus zu David und
kritisiert ihn zynisch:
„Wie würdevoll hat sich heute
der König von Israel doch benommen!
Er hat sich vor den Augen von Sklavinnen und Sklaven
entblösst,
wie sich wirklich nur ein Niemand entblösst!“
David antwortet ihr:
„Vor Gott will ich tanzen, …
vor dem Herrn,
und will mich künftig noch mehr erniedrigen
als dieses Mal.“
Gottes Gegenwart also
bringt den König David zum ekstatischen Tanzen. Und das ohne Rücksicht
auf seinen Ruf, auf seine Würde und auf königliche Sitten.
Wie gesagt, in dieser schönen,
emotionalen und spontanen Geschichte ging es weder um die Einweihung
einer Kirche noch um die Feier eines Kirchenjubiläums. Es ging um den
Einzug der Bundeslade in Jerusalem, Symbol der Gegenwart Gottes in
dieser Stadt und unter deren Menschen, Symbol eines Gottes, der sich
nicht darauf beschränkt, bloss an einem heiligen Ort anwesend zu sein.
Sondern eines Gottes, der ein mit-gehender und im Alltag gegenwärtiger
Gott ist.
Ein bisschen hat darum diese
farbige Geschichte sehr wohl mit dem heutigen Kirchenjubiläum zu tun.
Darum ist sie mir wohl auch immer wieder in den Sinn gekommen.
Die Tatsache der Gegenwart
Gottes, die Tatsache der Gegenwart eines Symbols der Gegenwart Gottes,
ist wahrhaftig ein Grund zur Freude, zu grosser Freude, ja zu
ekstatischer Freude.
Und das ist jetzt eine Parallele
zu unserem Kirchenjubiläum. Eine Kirche ist in evangelischem Verständnis
nicht der Wohnsitz Gottes, oder ein Amtssitz Gottes. Sondern ein Ort, wo
Gottes Gegenwart besonders deutlich erlebt wird. Und darum Grund zu
Freude und Dankbarkeit.
Gott kann aber mitnichten nur in
einem Kirchengebäude oder nur im Gottesdienst in einem solchen Gebäude
erlebt werden. Gott ist ein mit-gehender Gott, der mitten im Alltag
neben uns geht und auch gottesdienstlich überall angerufen werden kann.
Ich möchte Sie, liebe
Gemeindeglieder, heute darum aufrufen, sich genauso wie David über die
Gegenwart Gottes zu freuen. Ob Sie dabei auch tanzen möchten, überlasse
ich Ihnen.
Zum Tanzen ganz allgemein,
übrigens, kann man aus dieser Geschichte auch gleich noch etwas lernen:
Nicht alle Menschen finden es immer sehr angepasst und sittlich, wenn
man sich nicht nur still und leise freut, sondern diese Freude auch
tanzend und singend auslebt.
Wahrscheinlich sollte man es
trotzdem tun. Und das nicht nur in der Disco oder im Festzelt. So wie es
sogar der König David unter Hintanstellung all seiner Würde und in aller
Öffentlichkeit ganz spontan und ekstatisch getan hat.
D)
Bedeutung und Stellenwert von Kirchengebäuden
Liebe Jubiläumsgemeinde
So relativ frei mit unseren
Gedanken herumspielend, haben wir nun doch schon Einiges zur Bedeutung
einer Kirche gesagt:
Wir erleben sie in mannigfachen
Lebenssituationen als ein Daheim. Sie gewährt uns Raum in Zeiten ruhiger
und überschäumender Freude, aber auch in Zeiten der Trauer und des
Klagens. Sie ist Ort des Tanzes und der Tränen.
Durch die langjährige Verbindung
des Kirchenraumes mit wichtigen, unser Leben prägenden Erlebnissen ist
sie uns ans Herz gewachsen. Es wäre uns nicht mehr gleichgültig, wenn
unsere Kirche geschlossen, verkauft oder abgerissen würde.
Kirchen sind Orte, an denen
Gottes Gegenwart besonders deutlich erlebt wird.
Kirchen sind Orte, an denen das
Wort, das Evangelium Gottes gepredigt und bezeugt wird. Kirchen sind
Orte, an denen wir zum Glauben ermutigt werden und unseren Glauben
leben. Kirchen sind Orte, an denen wir in der Feier von Sakramenten
dieses Glaubens versichert werden und in Christusgemeinschaft
miteinander verbunden sind. Kirchen sind Orte, an denen wir unsere
Verantwortung in Welt und Gesellschaft reflektieren und uns gegenseitig
ermutigen, sie auch wahrzunehmen.
Und dennoch ist nichts, aber
auch gar nichts, von dem eben Aufgezählten an den Raum einer Kirche
gebunden.
Alle diese Dinge können auch
ausserhalb eines Kirchengebäudes geschehen. Und alle diese Dinge
geschehen auch täglich ausserhalb von Kirchengebäuden.
Wir wissen, dass unser Gott sich
nicht in einem Haus einschliessen lässt, sondern mitten in unserem
Alltagsleben mit uns unterwegs ist.
Selbst für den Gottesdienst
gilt, dass die Gegenwart Gottes, die Gegenwart des auferstandenen
Christus, überall da ist,
„wo zwei oder drei
in meinem Namen versammelt sind.“
So lesen wir es im
Matthäusevangelium (Matth. 18,20).
Ob diese zwei oder drei sich in
einer Kirche versammeln oder in einem Wohnzimmer, in einem Spitalzimmer
oder rund um ein Lagerfeuer ist völlig irrelevant und gleichwertig.
Was zählt, ist nur, dass diese
Menschen sich im Namen Gottes und seines Sohnes Jesus Christus
versammeln.
Für uns Reformierte sind Kirchen
darum keine „heiligen“ Gebäude. Wir kennen auch kein „Weihen“ eines
Gebäudes oder einer Kirche. Kirchen besitzen keine „Heiligkeit“. In
ihnen ereignet sich aber Heiliges.
Wir Protestanten haben also ein
recht sachliches, nüchternes Verhältnis zu unseren Kirchen. Und dennoch
schätzen wir sie sehr hoch. Aber nicht als christliche Variante eines
Tempels.
Die Würde und die Bedeutung
eines Kirchengebäudes ergibt sich aus dem, was sich in ihm ereignet -
aus dem Geschehen zwischen Menschen, und aus dem Geschehen zwischen Gott
und Mensch.
Auch der Reformator Martin
Luther hat sich mit der Frage beschäftigt, warum man eigentlich Kirchen
bauen soll.
1544 sagte Luther in seiner
Predigt zur Einweihung der Schlosskapelle von Torgau, das neue Haus
solle deshalb errichtet werden, „dass nichts anders darin geschehe,
denn das unser lieber Herr selbs mit uns rede durch sein heiliges Wort,
und wir widerumb mit jm reden durch Gebet und Lobgesang.“
Dieses Sprechen zwischen Gott
und Mensch, zwischen Mensch und Gott ist nach Luther aber nicht an einen
Kirchenraum gebunden. Wenn man nicht in einer Kirche zusammen kommen
wolle oder könne, „so möchte man wol draussen beim Brunnen oder
anders wo predigen.“
Es gibt für Luther also kein
spezifisch christliches Gebäude, das als solches – also als Bauwerk –
heilig, Gott-gehörig wäre. Nach Luther ist Gott im Glauben zuhause, in
der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Das Kirchengebäude hat keinen
sakralen oder religiösen Wert an sich.
Bereits Luther hat also die
Kirchen gewissermassen „säkularisiert“. Und ihnen trotzdem eine grosse
Bedeutung beigemessen.
Um es mit dem Leitwort der St.
Galler Kantonalkirche zu sagen: Im Kirchengebäude soll sich Kirche
ereignen „nahe bei Gott – nahe bei den Menschen“.
E)
Fröhlich
sein und tanzen im Alltag
Nach diesem Ausflug in die
Reformationsgeschichte und zum reformierten Verständnis der Bedeutung
von Kirchen, komme ich jetzt zum Schluss nocheinmal zum Tanzen und zur
Freude zurück.
„Wo zwei oder drei
in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen“,
hat uns Jesus Christus
versprochen (Matth. 18,20).
Das ist ein wundervolles und Mut
machendes Angebot, das zu jeder Zeit und an jedem Ort gilt.
Es ist eine Verheissung, die wir
für unser Leben als Christenmenschen und als christliche Gemeinde
jederzeit und allerorts fröhlich in Anspruch nehmen dürfen.
Zusätzlich gibt uns aber das
heutige Kirchenjubiläum die Gelegenheit, dankbar zu sein und uns in
besonderer Weise bewusst zu werden, welch grosses Geschenk ein
Kirchenraum ist, in welchem wir ein Stück Daheim erfahren, in welchem
uns Gott begegnet, und in welchem wir miteinander Christusgemeinschaft
erleben.
Geben wir heute unserer Freude
darüber besonderen Raum. Danken wir Gott im Gebet, singen wir - und
vielleicht sogar: tanzen wir!
Vergessen wir dabei aber nicht,
dass morgen die neue Woche beginnt, der ganz normale Alltag uns wieder
in seinen Armen hat.
Auch in diesem Alltag ist Gott
gegenwärtig, ist Gott mit uns.
Ich schlage darum vor, dass wir
die Fröhlichkeit und das Tanzen nicht nur den jungen Menschen
überlassen, sondern Heute und die nächste Woche zu einer Zeit machen, in
der wir uns ganz besonders der Gegenwart Gottes bewusst sind und uns ihr
hingeben.
Lasst uns darüber freuen - und
auch mal wieder richtig tanzen!
Amen.