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Tanzen vor und mit Gott

(2. Samuel 6; Matthäus 18,20)

Predigt zur 50-Jahrfeier der Zwinglikirche Sargans

 

 

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Jubiläumsgottesdienst der Evang.-ref. Kirchgemeinde Sargans-Mels-Vilters-Wangs, Sonntag, 15. März 2009
Predigt Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident

 

A) Haben Sie heute morgen schon getanzt?

Liebe Jubiläumsgemeinde

Haben Sie heute morgen auf dem Weg in diese Kirche getanzt? Ich meine, waren Sie so glücklich und froh, dass Sie sich nicht mehr halten konnten, und vor Glück tanzten, sangen, und die ganze Welt umarmten?

Sie schütteln etwas irritiert den Kopf. „Was soll diese komische Frage?“, fragen Sie sich. „Wieso sollte ich auf dem Weg in die Kirche tanzen? Also erstens hatte ich keinen Grund dazu, zweitens tanzt man auf dem Weg in die Kirche nicht und drittens bin ich eh nicht so der Tanztyp.“

Ich sehe, ich habe kein Glück mit dieser Frage. Lassen Sie mich eine andere stellen: Wann waren Sie in Ihrem Leben letztmals so glücklich, dass Sie am liebsten gesungen, getanzt und die ganze Welt umarmt hätten? - Und es vielleicht sogar getan haben.

War das kürzlich? Ist es schon lange her? Ist Ihnen das in Ihrem Leben noch nie passiert? Wünschen Sie sich, dass Sie wieder einmal von Glücksgefühlen völlig überwältigt werden? Gar etwas in Ekstase geraten?

Solche Momente des unbegrenzten Glücks sind wohl im Leben der meisten von uns seltene Momente. Und darum umso wertvollere Momente.

Und wenn wir es uns dann noch leisten können, diesem Glücksgefühl einfach Raum zu geben, loszutanzen, los zu singen, los zu umarmen und zu küssen, dann, ja dann, fühlen wir uns wirklich wie im 7. Himmel.

Sind jüngere Menschen beim Erleben solchen Glücks privilegiert? Überkommt euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, solche Ekstase häufiger als uns bereits etwas ins Alter gekommene, wohl temperierte Erwachsene? Tanzt ihr häufiger und vom Glück beseelter? Ekstatischer?

Wie alt Du auch sein magst - geniesse diese Stunden und Minuten der ungebremsten Freude, ja der Ekstase. Der Alltag wird Dich früh genug wieder in die wohltemperierte Alltagsstimmung zurück rufen.

 

B) Ein Raum des Daheimseins

Warum erzähle ich Ihnen das alles, liebe Mitchristinnen und Mitchristen? Gut, wir sind heute hier zu diesem Gottesdienst zusammen gekommen, weil wir ein freudiges Ereignis feiern: den 50. Geburtstag dieser Kirche. Damals, am 15. März 1959, war dieses Gebäude die freudige Verwirklichung eines langjährigen Traums der Sarganser Evangelischen: eine eigene Kirche!

Das muss in der Tat ein Freudentag gewesen sein! Ob damals Menschen aus Freude sogar getanzt, gesungen und die Welt umarmt haben? Ich weiss es nicht, ich war nicht dabei. Ich kann nur hoffen, dass sie damals auch etwas getanzt haben.

Und wir heute? Mir scheint, wir sitzen im Moment ziemlich ruhig hier in diesem Gottesdienst. Losgetanzt ist bisher noch niemand. Gesungen haben wir allerdings bereits. Aus vollem Herzen? Na ja, die einen vielleicht etwas mehr, die anderen weniger.

Wenn nicht Grund zum Tanzen, so doch sicher Grund zur Freude und zur Dankbarkeit sind 50 Jahre Kirche Sargans allerdings schon. Vor allem dann, wenn wir an all die vielen Begebenheiten denken, die sich in diesen 50 Jahren hier abgespielt haben und sich auch heute jede Woche hier abspielen.

Für sehr viele Menschen hier in Sargans ist diese Kirche über die Jahre zu einer Art Daheim geworden. Und sie wird es immer wieder.

Viele Menschen erlebten und erleben in diesem Raum den schönsten Augenblick ihres Lebens, wenn sie sich als Mann und Frau ihr Ja-Wort geben und fürderhin zusammen gehören. Wahrscheinlich tanzen sie dabei noch nicht – das kommt später am Tag, aber sicher umarmen sie einander.

Die Menschen treffen sich hier in diesem schönen Raum von Freude und Dankbarkeit erfüllt, wenn sie ein Kind zur Taufe bringen und damit das kleine Geschöpf dem liebenden Gott anvertrauen. Sie wissen, dass das Kind einen Beschützer und Begleiter braucht, der ihre eigenen Möglichkeiten übersteigt.

Als Konfirmandinnen und Konfirmanden erleben junge Menschen im Daheim dieser Kirche den Übergang ins Erwachsenenleben. Vielleicht wagen sie dabei – mag‘s auch noch etwas zaghaft sein – ein Ja zum Angebot Gottes, sie in ihrem Leben zu begleiten.

Menschen klagen in diesem kirchlichen Daheim Gott ihr Leid, weil ein lieber Mensch von ihnen gegangen ist. Sie erhoffen sich hier Zuspruch von Trost, und die Erfahrung von Geborgenheit inmitten aufgewühlter Lebenswasser.

Menschen erleben in diesem Raum des Daheims immer wieder die Gegenwart des lebendigen Christus; - wenn sie sich zum Gottesdienst treffen, wenn ihnen das Evangelium gepredigt wird, und wenn sie miteinander Brot und Wein teilen. Hier fühlen sie sich mit Gott und mit der weltweiten Christusgemeinschaft verbunden.

50 Jahre Zwinglikirche Sargans ist darum weit mehr als 50 Jahre Steine, Holz und Glas. Es bedeutet 50 Jahre Leben mit Gott und mit den Mitmenschen - als Kirchgemeinde und als einzelne Christenmenschen.

Wenn wir heute feiern, dann feiern wir zwar nicht in tanzender Ausgelassenheit. Aber wir feiern in freudiger Dankbarkeit für alles, was in diesem Raum in den letzten 50 Jahren ein Daheim gefunden hat; in Dankbarkeit für alle Freude, aber auch für alle Geborgenheit im Schmerz.

Dankbarkeit und Freude für ein Gebäude ist nie nur Dankbarkeit und Freude für eine Baukonstruktion, sondern Dankbarkeit und Freude
für das Leben, das in ihm ein Daheim findet - und die Bitte, dass dieser Raum auch in den nächsten 50 Jahren so ein Raum des Daheimseins ist.

Unsere Freude ist heute eher eine verhaltene, innerliche Freude als eine ekstatische, los tanzende Freude.

 

C) Davids Tanz vor der Bundeslade

Lassen Sie mich mit dieser Bemerkung nocheinmal auf das Tanzen zurück kommen.

Mir kam in der Meditation und Vorbereitung dieser Predigt immer wieder die alttestamentliche Geschichte mit dem aus Glück und Begeisterung tanzenden König David in den Sinn. Wir finden sie in der Bibel gleich zweimal erzählt, in 2. Samuel 6 und in 1. Chronik 15.

Der König David hat da zwar nicht aus Begeisterung über einen Kirchenbau getanzt. Einen solchen gab es zu seiner Zeit noch gar nicht. Den ersten Tempel Israels hat erst sein Sohn, König Salomon, gebaut. Insofern hinkt der Vergleich dieser Geschichte mit unserem heutigen Jubiläum etwas.

Für den alten Glauben Israels war immer bezeichnend, dass Gottes Gegenwart sich nicht auf einen besonderen, für heilig erklärten Ort konzentrierte, oder Gott sich in einem heiligen Gegenstand
anbeten liess. Im Gegenteil, das wurde als Götzendienst vehement abgelehnt und bekämpft. Wir erinnern uns diesbezüglich an die altbekannte Geschichte von Gottes Zorn über Israels Tanz um das goldene Kalb.

Der Gott Israels war immer ein mit-gehender Gott. Er begleitete Abraham aus dem Zweistromland nach Israel. Er begleitete Josef nach und in Ägypten. Er begleitete Mose und seine Schar durch das Rote Meer und durch die Wüste Sinai. Er führte Josua ins Gelobte Land. Und er begleitete das Volk darauf bei der Eroberung und Verteidigung des Landes Palästina.

In dieser alt-jüdischen Tradition ist auch unser christlicher Gott bis heute ein mit-gehender Gott, ein Gott, der mit uns im Alltag ist, der mit uns in der Familie und im Beruf ist, ein Gott, der mit uns durch die Freuden und die Leiden unseres Lebens geht.

Gott sitzt nicht einfach in einem Kirchengebäude und wartet untätig, bis wir zu ihm kommen (oder nicht zu ihm kommen), bis wir ihn verehren (oder ihn links liegen lassen). Gott ist mit uns im Alltag.
Er sucht den Kontakt mit uns mitten im Alltag. Und auch wir können Kontakt mit ihm haben, mitten im alltäglichen Leben in seiner Begleitung unterwegs sein.

Das alte Israel besass keine Kirchen und keine Tempel, höchstens einige Opferstätten.

Israel hatte dafür die Zehn Gebote, in Stein gemeisselter Ausdruck von Gottes Willen, wie Menschen sich untereinander und ihm gegenüber verhalten sollen.

Und Israel hatte ein Symbol für die mit-gehende Gegenwart Gottes, für den Bund Gottes mit seinem Volk: die Bundeslade.

Die Bundeslade war nichts anderes als eine Kiste, in der zwei Tafeln mit den Zehn Geboten aufbewahrt wurden.

Diese Bundeslade wurde stets mitgeführt, beim Zug durch die Wüste ebenso wie beim Einzug in das versprochene Land und bei dessen Eroberung.

Man konstruierte für die Bundeslade ein transportables Zelt, die Stiftshütte. Darin wurde der Schrein aufbewahrt. Gelegentlich musste man die Lade auch verteidigen oder gar zurückerobern, nachdem sie von einem Feind verschleppt worden war.

Mit der Zeit fiel die Bundeslade aber in Vergessenheit, und während der Regierungszeit von König Saul erinnerte man sich kaum noch an sie.

Für seinen Nachfolger, den jungen König David, aber war die Lade
ein Symbol der Nähe Gottes, ein Symbol des mit-gehenden Gottes. David war klar, dass die Anwesenheit der Bundeslade in seiner neuen Hauptstadt Jerusalem für die Öffentlichkeit ein wichtiges Zeichen setzen würde: Gott ist mit David und mit dem ihm ergebenen Volk.

Und so wurde der Schrein von David in zwei Anläufen, - mit einer monatelangen Zwischenlagerung auf einem Bauernhof – in einem festlichen Umzug nach Jerusalem gebracht und dort in ein neu erbautes Zelt gestellt.

Und jetzt kommt eben die Geschichte vom tanzenden König David. Wie schon der erste Teil dieses Bundesladen-Transports, war auch dieser zweite Teil ein gewaltiger Festzug. In der Bibel ist von Musik mit verschiedenen Hölzern aus Wacholder, mit Leiern, mit Harfen und Pauken, mit Rasseln und Zimbeln die Rede.

David selber ist unendlich glücklich. In 2. Samuel 6 heisst es:

„David tanzte voller Hingabe vor dem Herrn.
Er war umgürtet mit einem Priesterschurz aus Leinen.
Und so brachten David und ganz Israel
die Lade des Herrn hinauf unter Jubel
und unter Hörnerklang.“

Schon damals war aber so hemmungslos gezeigte Freude in der Öffentlichkeit nicht ohne Probleme. Und schon gar nicht als König und in einen Priesterschurz gekleidet.

Michal, die Tochter des ehemaligen Königs Saul, blickte aus dem Fenster. Und als sie sah, wie König David umherwirbelte und tanzte, fand sie das völlig daneben.

Sie geht hinaus zu David und kritisiert ihn zynisch:

„Wie würdevoll hat sich heute der König von Israel doch benommen!
Er hat sich vor den Augen von Sklavinnen und Sklaven
entblösst,
wie sich wirklich nur ein Niemand entblösst!“

David antwortet ihr:

„Vor Gott will ich tanzen, …
vor dem Herrn,
und will mich künftig noch mehr erniedrigen
als dieses Mal.“

Gottes Gegenwart also bringt den König David zum ekstatischen Tanzen. Und das ohne Rücksicht auf seinen Ruf, auf seine Würde und auf königliche Sitten.

Wie gesagt, in dieser schönen, emotionalen und spontanen Geschichte ging es weder um die Einweihung einer Kirche noch um die Feier eines Kirchenjubiläums. Es ging um den Einzug der Bundeslade in Jerusalem, Symbol der Gegenwart Gottes in dieser Stadt und unter deren Menschen, Symbol eines Gottes, der sich nicht darauf beschränkt, bloss an einem heiligen Ort anwesend zu sein. Sondern eines Gottes, der ein mit-gehender und im Alltag gegenwärtiger Gott ist.

Ein bisschen hat darum diese farbige Geschichte sehr wohl mit dem heutigen Kirchenjubiläum zu tun. Darum ist sie mir wohl auch immer wieder in den Sinn gekommen.

Die Tatsache der Gegenwart Gottes, die Tatsache der Gegenwart eines Symbols der Gegenwart Gottes, ist wahrhaftig ein Grund zur Freude, zu grosser Freude, ja zu ekstatischer Freude.

Und das ist jetzt eine Parallele zu unserem Kirchenjubiläum. Eine Kirche ist in evangelischem Verständnis nicht der Wohnsitz Gottes, oder ein Amtssitz Gottes. Sondern ein Ort, wo Gottes Gegenwart besonders deutlich erlebt wird. Und darum Grund zu Freude und Dankbarkeit.

Gott kann aber mitnichten nur in einem Kirchengebäude oder nur im Gottesdienst in einem solchen Gebäude erlebt werden. Gott ist ein mit-gehender Gott, der mitten im Alltag neben uns geht und auch gottesdienstlich überall angerufen werden kann.

Ich möchte Sie, liebe Gemeindeglieder, heute darum aufrufen, sich genauso wie David über die Gegenwart Gottes zu freuen. Ob Sie dabei auch tanzen möchten, überlasse ich Ihnen.

Zum Tanzen ganz allgemein, übrigens, kann man aus dieser Geschichte auch gleich noch etwas lernen: Nicht alle Menschen finden es immer sehr angepasst und sittlich, wenn man sich nicht nur still und leise freut, sondern diese Freude auch tanzend und singend auslebt.

Wahrscheinlich sollte man es trotzdem tun. Und das nicht nur in der Disco oder im Festzelt. So wie es sogar der König David unter Hintanstellung all seiner Würde und in aller Öffentlichkeit ganz spontan und ekstatisch getan hat.

 

D) Bedeutung und Stellenwert von Kirchengebäuden

Liebe Jubiläumsgemeinde

So relativ frei mit unseren Gedanken herumspielend, haben wir nun doch schon Einiges zur Bedeutung einer Kirche gesagt:

Wir erleben sie in mannigfachen Lebenssituationen als ein Daheim. Sie gewährt uns Raum in Zeiten ruhiger und überschäumender Freude, aber auch in Zeiten der Trauer und des Klagens. Sie ist Ort des Tanzes und der Tränen.

Durch die langjährige Verbindung des Kirchenraumes mit wichtigen, unser Leben prägenden Erlebnissen ist sie uns ans Herz gewachsen. Es wäre uns nicht mehr gleichgültig, wenn unsere Kirche geschlossen, verkauft oder abgerissen würde.

Kirchen sind Orte, an denen Gottes Gegenwart besonders deutlich erlebt wird.

Kirchen sind Orte, an denen das Wort, das Evangelium Gottes gepredigt und bezeugt wird. Kirchen sind Orte, an denen wir zum Glauben ermutigt werden und unseren Glauben leben. Kirchen sind Orte, an denen wir in der Feier von Sakramenten dieses Glaubens versichert werden und in Christusgemeinschaft miteinander verbunden sind. Kirchen sind Orte, an denen wir unsere Verantwortung in Welt und Gesellschaft reflektieren und uns gegenseitig ermutigen, sie auch wahrzunehmen.

Und dennoch ist nichts, aber auch gar nichts, von dem eben Aufgezählten an den Raum einer Kirche gebunden.

Alle diese Dinge können auch ausserhalb eines Kirchengebäudes geschehen. Und alle diese Dinge geschehen auch täglich ausserhalb von Kirchengebäuden.

Wir wissen, dass unser Gott sich nicht in einem Haus einschliessen lässt, sondern mitten in unserem Alltagsleben mit uns unterwegs ist.

Selbst für den Gottesdienst gilt, dass die Gegenwart Gottes, die Gegenwart des auferstandenen Christus, überall da ist,

„wo zwei oder drei
in meinem Namen versammelt sind.“

So lesen wir es im Matthäusevangelium (Matth. 18,20).

Ob diese zwei oder drei sich in einer Kirche versammeln oder in einem Wohnzimmer, in einem Spitalzimmer oder rund um ein Lagerfeuer ist völlig irrelevant und gleichwertig.

Was zählt, ist nur, dass diese Menschen sich im Namen Gottes und seines Sohnes Jesus Christus versammeln.

Für uns Reformierte sind Kirchen darum keine „heiligen“ Gebäude. Wir kennen auch kein „Weihen“ eines Gebäudes oder einer Kirche. Kirchen besitzen keine „Heiligkeit“. In ihnen ereignet sich aber Heiliges.

Wir Protestanten haben also ein recht sachliches, nüchternes Verhältnis zu unseren Kirchen. Und dennoch schätzen wir sie sehr hoch. Aber nicht als christliche Variante eines Tempels.

Die Würde und die Bedeutung eines Kirchengebäudes ergibt sich aus dem, was sich in ihm ereignet - aus dem Geschehen zwischen Menschen, und aus dem Geschehen zwischen Gott und Mensch.

Auch der Reformator Martin Luther hat sich mit der Frage beschäftigt, warum man eigentlich Kirchen bauen soll.

1544 sagte Luther in seiner Predigt zur Einweihung der Schlosskapelle von Torgau, das neue Haus solle deshalb errichtet werden, „dass nichts anders darin geschehe, denn das unser lieber Herr selbs mit uns rede durch sein heiliges Wort, und wir widerumb mit jm reden durch Gebet und Lobgesang.“

Dieses Sprechen zwischen Gott und Mensch, zwischen Mensch und Gott ist nach Luther aber nicht an einen Kirchenraum gebunden. Wenn man nicht in einer Kirche zusammen kommen wolle oder könne, „so möchte man wol draussen beim Brunnen oder anders wo predigen.“

Es gibt für Luther also kein spezifisch christliches Gebäude, das als solches – also als Bauwerk – heilig, Gott-gehörig wäre. Nach Luther ist Gott im Glauben zuhause, in der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Das Kirchengebäude hat keinen sakralen oder religiösen Wert an sich.

Bereits Luther hat also die Kirchen gewissermassen „säkularisiert“. Und ihnen trotzdem eine grosse Bedeutung beigemessen.

Um es mit dem Leitwort der St. Galler Kantonalkirche zu sagen: Im Kirchengebäude soll sich Kirche ereignen „nahe bei Gott – nahe bei den Menschen“.

 

E) Fröhlich sein und tanzen im Alltag

Nach diesem Ausflug in die Reformationsgeschichte und zum reformierten Verständnis der Bedeutung von Kirchen, komme ich jetzt zum Schluss nocheinmal zum Tanzen und zur Freude zurück.

„Wo zwei oder drei
in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen“,

hat uns Jesus Christus versprochen (Matth. 18,20).

Das ist ein wundervolles und Mut machendes Angebot, das zu jeder Zeit und an jedem Ort gilt.

Es ist eine Verheissung, die wir für unser Leben als Christenmenschen und als christliche Gemeinde jederzeit und allerorts fröhlich in Anspruch nehmen dürfen.

Zusätzlich gibt uns aber das heutige Kirchenjubiläum die Gelegenheit, dankbar zu sein und uns in besonderer Weise bewusst zu werden, welch grosses Geschenk ein Kirchenraum ist, in welchem wir ein Stück Daheim erfahren, in welchem uns Gott begegnet, und in welchem wir miteinander Christusgemeinschaft erleben.

Geben wir heute unserer Freude darüber besonderen Raum. Danken wir Gott im Gebet, singen wir - und vielleicht sogar: tanzen wir!

Vergessen wir dabei aber nicht, dass morgen die neue Woche beginnt, der ganz normale Alltag uns wieder in seinen Armen hat.

Auch in diesem Alltag ist Gott gegenwärtig, ist Gott mit uns.

Ich schlage darum vor, dass wir die Fröhlichkeit und das Tanzen nicht nur den jungen Menschen überlassen, sondern Heute und die nächste Woche zu einer Zeit machen, in der wir uns ganz besonders der Gegenwart Gottes bewusst sind und uns ihr hingeben.

Lasst uns darüber freuen - und auch mal wieder richtig tanzen!

Amen.

 



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Haben Sie heute morgen schon getanzt?

Ein Raum des Daheimseins

Davids Tanz vor der Bundeslade

Bedeutung und Stellenwert von Kirchengebäuden

Fröhlich sein und tanzen im Alltag

 

 

 

 

Wann waren Sie in Ihrem Leben letztmals so glücklich, dass Sie am liebsten gesungen, getanzt und die ganze Welt umarmt hätten? - Und es vielleicht sogar getan haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für viele Menschen ist der Kirchenraum über die Jahre zu einer Art Daheim geworden. Und sie wird es immer wieder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für den alten Glauben Israels war immer bezeichnend, dass Gottes Gegenwart sich nicht auf einen besonderen, für heilig erklärten Ort konzentrierte, oder Gott sich in einem heiligen Gegenstand
anbeten liess.

 

 

 

 

 

Der Gott Israels war immer ein mit-gehender Gott. In dieser alt-jüdischen Tradition ist auch unser christlicher Gott bis heute ein mit-gehender Gott, ein Gott, der mit uns im Alltag ist, der mit uns in der Familie und im Beruf ist, ein Gott, der mit uns durch die Freuden und die Leiden unseres Lebens geht.

 

 

 

Gott ist mit uns im Alltag.
Er sucht den Kontakt mit uns mitten im Alltag. Und auch wir können Kontakt mit ihm haben, mitten im alltäglichen Leben in seiner Begleitung unterwegs sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es ist eine tiefe biblische Erkenntnis, dass erst das Erleben von Geborgenheit in Gott, die Dankbarkeit über Gottes Güte uns Menschen überhaupt dazu befähigt, lebenswerte Zukunft zu gestalten.

 

 

 

 

 

Gottes Gegenwart bringt den König David zum ekstatischen Tanzen. Und das ohne Rücksicht auf seinen Ruf, auf seine Würde und auf königliche Sitten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gott kann mitnichten nur in einem Kirchengebäude oder nur im Gottesdienst in einem solchen Gebäude erlebt werden. Gott ist ein mit-gehender Gott, der mitten im Alltag neben uns geht und auch gottesdienstlich überall angerufen werden kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kirchen sind Orte, an denen Gottes Gegenwart besonders deutlich erlebt wird. Und dennoch ist nichts, aber auch gar nichts an den Raum einer Kirche gebunden.

 

 

 

 

 

 

Ob zwei oder drei sich in einer Kirche versammeln oder in einem Wohnzimmer, in einem Spitalzimmer oder rund um ein Lagerfeuer ist völlig irrelevant und gleichwertig. Was zählt, ist nur, dass diese Menschen sich im Namen Gottes und seines Sohnes Jesus Christus versammeln.

 

 

Wir wissen, dass unser Gott sich nicht in einem Haus einschliessen lässt, sondern mitten in unserem Alltagsleben mit uns unterwegs ist.

 

 

Wir Protestanten haben ein recht sachliches, nüchternes Verhältnis zu unseren Kirchen. Und dennoch schätzen wir sie sehr hoch. Aber nicht als christliche Variante eines Tempels.

 

Die Würde und die Bedeutung eines Kirchengebäudes ergibt sich aus dem, was sich in ihm ereignet - aus dem Geschehen zwischen Menschen, und aus dem Geschehen zwischen Gott und Mensch.

 

 

Bereits Luther hat die Kirchen gewissermassen „säkularisiert“. Und ihnen trotzdem eine grosse Bedeutung beigemessen. Es gibt für Luther kein spezifisch christliches Gebäude, das als solches – also als Bauwerk – heilig, Gott-gehörig wäre. Nach Luther ist Gott im Glauben zuhause, in der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Das Kirchengebäude hat keinen sakralen oder religiösen Wert an sich.

 

 

 

 

 

 

Das heutige Kirchenjubiläum gibt uns die Gelegenheit, dankbar zu sein und uns in besonderer Weise bewusst zu werden, welch grosses Geschenk ein Kirchenraum ist, in welchem wir ein Stück Daheim erfahren, in welchem uns Gott begegnet, und in welchem wir miteinander Christusgemeinschaft erleben.