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Es ist kalt geworden in der Schweiz

Vorwort zum Jahresbericht der St. Galler Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende 2004

 

 

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24. März 2005
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident


Es ist kalt geworden

Das fremdenpolitische Klima ist kalt geworden in der Schweiz, sehr kalt sogar. Schon im Jahresbericht 2003 benutzte die Stellenleiterin Edith Späti für die Situation im Asylwesen das Wort "Eiszeit". Sie stellte damals noch ein Fragezeichen dahinter. Seit April 2004 wird Asylsuchenden mit einem Nichteintretensentscheid (NEE) keine Sozialhilfe, sondern nur noch eine minimale Nothilfe gewährt – und verschiedentlich wurde selbst dieses verfassungsmässig garantierte Recht verweigert. Soeben hat der Ständerat beschlossen, den Nothilfestopp auf alle abgewiesenen Asylbewerber auszudehnen und sogar die Nothilfe verweigern zu dürfen. Bundesrat Blocher schliesst diesbezüglich eine Verfassungsänderung nicht aus.

Soeben habe ich heute im St. Galler Tagblatt den Artikel "Muslime unerwünscht" gelesen. Die Bürgerversammlung Rheineck lehnte die Einbürgerung von 13 erwachsenen Muslimen und 13 Kindern ab. Einige von ihnen wurden bereits in der Schweiz geboren, durchliefen alle Schulen und die Lehre hier; mitnichten Flüchtlinge oder Asylanten also. Sie seien "zu wenig integriert" wurde von den Schweizern argumentiert. Die Bürgerversammlung fand in der evangelischen Kirche statt.

Was ist die Rolle unserer St. Galler Rechtsberatungsstelle in diesem Umfeld? Und warum stellen ihr die Kirchen und kirchliche Kreise gegen alle politische Opportunität nach wie vor substantielle Finanzen zur Verfügung?

Kürzlich sagte mir ein Nationalrat aus der Westschweiz, dass für ihn das Schwierigste und Unverständlichste in der gegenwärtigen Situation sei, dass die meisten politischen Kräfte wie gebannt nur noch auf die Schlange "Missbrauch" blickten und dabei alles vergässen, was die rechtliche und die christlich-humanitäre Tradition der Schweiz ausmache. Dabei hänge die ganze moralische Autorität der Schweiz, namentlich auch bezüglich der vielen internationalen Organisationen und deren Botschaft an die Welt, genau an diesen beiden Dingen: Recht und Humanität.

 

Zum Wert "Recht"

Missbrauch im Asylwesen soll nicht beschönigt werden. Er schadet nicht zuletzt den wirklich auf uns angewiesenen Flüchtlingen. Tatsache ist aber, dass Menschen manchmal Recht haben, es jedoch nicht wirksam einfordern können. "Recht haben und Recht erhalten ist nicht dasselbe" lautet diese Erfahrung in der Alltagssprache. In einer Zeit, wo ablehnende Entscheide besonders dramatische Auswirkungen haben – zum Beispiel ganz real auf die Strasse gestellt zu werden –, ist es umso dringender, dass wir Menschen beistehen, denen ein Recht möglicherweise oder sicher vorenthalten wird. Die hohe Erfolgsquote bei Rekursen der Rechtsberatungsstelle spricht eine deutliche Sprache.

 

Zum Wert "Humanität"

Humanität ist nicht so einfach in Paragraphen zu fassen. Auch wenn die Politik berechtigterweise für sich in Anspruch nimmt, ebenfalls humanitären Werten verpflichtet zu sein. Die Humanität ist zur Zeit in zweifacher Weise in Gefahr: Zum einen, weil Entscheide wie die Verweigerung von Nothilfe, selbst wenn sie einmal als Recht definiert werden sollte, unter christlich-humanistischen Gesichtspunkten abzulehnen sind. Und zum zweiten, weil es bei jeder Gesetzgebung immer tragische menschliche Schicksale gibt, die zwischen die Maschen fallen, denen aber geholfen werden muss, verständnisvoll, flexibel – so wie Jesus zu seiner Zeit gehandelt hat.

"In 20 Jahren müssen wir dann wieder die Geschichte unseres Umgangs mit Asylsuchenden aufarbeiten“, sagte mir kürzlich ein Pfarrer, „da setze ich mich lieber bereits jetzt mit allen Kräften für jene ein, die uns in ihrer schwierigen Situation als Mitchristen brauchen."

Dem ist nichts hinzu zu fügen. Darum unterstützt die St. Galler Kantonalkirche aus Überzeugung die Rechtsberatungsstelle auch weiterhin.

 



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Es ist kalt geworden

Zum Wert "Recht"

Zum Wert "Humanität"

 

 

Das fremden-politische Klima ist kalt geworden in der Schweiz.

 

 

 

 

 

Die moralische Autorität der Schweiz hängt an diesen beiden Dingen: Recht und Humanität.

 

 

 

 

Tatsache ist, dass Menschen manchmal Recht haben, es jedoch nicht wirksam einfordern können.

 

 

 

 

 

"In 20 Jahren müssen wir dann wieder die Geschichte unseres Umgangs mit Asylsuchenden aufarbeiten, da setze ich mich lieber bereits jetzt mit allen Kräften für jene ein, die uns in ihrer schwierigen Situation als Mitchristen brauchen."