Zusammengefasst in "Dialog mit Stolpersteinen" in
"Reformierte Presse",
12. Oktober 2001
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Was existiert auf Ihrer institutionellen Ebene an Dialog mit dem Islam?
Als Kirchenrat haben wir auf institutioneller Ebene keine vergleichbaren
offiziellen Ansprechpartner im muslimischen Bereich. Unsere Ressortleitenden pflegen Kontakte in ihren Arbeitsbereichen. Wir
nehmen die Aufgabe des interreligiösen Dialogs ernst und haben in der Erwachsenenbildung, in der ACK
(Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen) und im Bereich der Integrationsarbeit
entsprechende Schwerpunkte gesetzt, bereits auch verschiedene Veranstaltungen organisiert. Dies auch im Anschluss an den
Lehrermord eines kosovarischen, jedoch christlichen Vaters im Jahr 1999, der im
Kanton St. Gallen viele Fragen aufwarf.
Mit welchen Muslimen sprechen Sie in Ihrer Position, wenn Sie
interreligiösen Dialog ansprechen wollen?
Unsere Fachmitarbeitenden suchen je nach Thema den Kontakt zu
passenden Partnern. Allerdings ist es nicht immer einfach, solche zu finden.
Weite Teile der muslimischen Bevölkerung sind aber dialogbereit. Sie vertreten grundsätzlich demokratische Grundwerte und teilen viele unserer
Überzeugungen. In gemeinsamer Arbeit müssen künftig noch vermehrt fruchtbare Formen von Dialog und Begegnung gefunden werden.
Gibt es Personen/Positionen, die auszuschliessen sind?
Ein kleiner Teil der Muslime ist aggressiv oder will gar unser
gesellschaftliches System zerstören. Mit Personen, die auf Vernichtung ausgerichtet sind, ist ein Dialog kaum noch möglich.
Hier dürfen wir Kirchen nicht naiv sein. Wir sollen unsere Hände öffnen, aber nicht einfach
alle unabhängig von ihrer Position umarmen. Wir müssen entschieden für
Grundwerte wie Demokratie und Menschenrechte eintreten.
Hat die Gewalt der Terroranschläge, die wir jetzt erleben, eine Wurzel in
der Religion?
Es gibt im Islam wie in allen Religionen unterschiedliche Strömungen, die
Frage muss deshalb differenziert angegangen werden. Es gab und gibt auch unter uns Christen immer wieder den Versuch, aus der
Bibel die eigene Meinung stützende Einzelaussagen herauszuholen. Doch ich glaube,
dass weder die Bibel noch der Koran in ihrer Grundbotschaft zu Gewalt aufrufen und als Begründung für
Anschläge und Gewalttaten benützt werden dürfen - im Gegenteil. Mit Sorge sehe ich aber, dass ganz generell
die Hemmschwelle für verbale und körperliche Gewalt zunehmend fällt; dies hören wir aus allen Bereichen, bis hin zur
Familienberatung. Das ist eine grosse Herausforderung für uns christliche Kirchen, aber auch für
Muslime und Andersgläubige.