Pressekonferenz des SFH (Hilfswerke
und Kirchen),
Bern, 14. August 2006
Statement Pfr. Dr. Dölf Weder, Stiftungsrat HEKS (Hilfswerk der
Evangelischen Kirchen Schweiz) und Kirchenratspräsident der Evang.-ref.
Kirche des Kantons St. Gallen
Menschenwürde ist ein
zentraler Wert des christlichen Glaubens, unserer Kultur und unseres
Rechtssystems.
Achtung seiner
Würde als Mensch steht jedem Menschen zu, gerade auch dem Schwachen.
Selbst Strafgefangene haben Anrecht darauf. Die Wahrung der
Menschenwürde ist ein wichtiges Gut unserer Kultur und unseres
schweizerischen Rechtssystems. Die christlichen Kirchen fühlen sich ihr
besonders verpflichtet. Das gründet in der Gottgeschaffenheit und
Gottebenbildlichkeit aller Menschen. Kindern, Jugendlichen und anderen
verletzlichen Menschen ist dabei besonders Sorge zu tragen.
Die vorliegenden Revisionen von Asyl-
und Ausländergesetz verletzen die Menschenwürde.
1. Wer
nicht innert 48 Stunden nach Einreise Reise- oder Identitätspapiere
abgibt, wird im Grundsatz gar nicht ins Asylverfahren aufgenommen. Wir
wissen aber aus Erfahrung, dass gerade echt Verfolgte und Traumatisierte
oft keine Papiere haben und in einer kurzen Erstbefragung ihre Notlage nur
schwer aussprechen und glaubhaft machen können.
2. Abgewiesene
Asylsuchende und Menschen mit Nichteintretens-Entscheid sind von der
Sozialhilfe ausgeschlossen. Damit werden selbst Familien und Kinder mit
bloss minimaler Überlebenshilfe auf die Strasse gestellt. Wer ihnen hilft,
muss mit Bestrafung rechnen.
3. Wer
die Schweiz nicht freiwillig verlässt, kann – ohne kriminell zu sein – bis
zu zwei Jahre eingesperrt werden. Das ist völlig unverhältnismässig
verglichen mit Strafen, wie sie in der Schweiz sonst ausgesprochen werden.
Sogar der Wille von 15-Jährigen soll so während bis zu einem Jahr
gebrochen werden. Selbst Kinder im Schulalter werden auf diese Weise
weiter traumatisiert und in ihrer Persönlichkeit geschädigt.
Missbrauch ist zu bekämpfen.
Der Missbrauch des Missbrauchs aber auch.
Rechtsstaatlichkeit
heisst beides: Das Gesetz soll den Schutzbedürftigen Schutz bieten und
Missbräuche bekämpfen. Die Vorlagen nützen aber negative Gefühle in der
Bevölkerung aus und setzen unverhältnismässige Massnahmen. Es muss den
Menschen im Land deutlich gesagt werden, dass damit die berechtigte
Missbrauchsbekämpfung auf Kosten der Menschenwürde unangemessen
übertrieben wird.
Das kirchliche Engagement für die
Schwachen wird schlecht gemacht.
HEKS – das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz
– und die Schweizer Kirchen kennen die Situation von Ausländern und von
Asylsuchenden aus der täglichen Projektarbeit und aus der Erfahrung ihrer
Seelsorgenden in den Asylzentren, Gefängnissen und Gemeinden. Im Rahmen
von Integrations-programmen, Rechtsberatungsstellen und
Betreuungsprojekten setzt sich das HEKS für die Menschenwürde der
Schwächsten ein. Kirchen machen sich zu deren Anwälten und begleiten sie
in der Seelsorge. Doch jenen, welche sich für Schutzsuchende einsetzen,
weht heute ein harter Wind entgegen. Kirchen und kirchliche Hilfswerke
werden von manchen des naiven Gutmenschentums oder gar der Heuchelei und
Lüge bezichtigt. Ihr Einsatz für die Würde des Menschen wird mit Hohn
bedacht.
Weil es uns mit dem Engagement für die Würde jedes
Menschen, einem zentralen Wert unseres Glaubens, unserer Kultur und
unseres Rechtssystems, ernst ist, sagen Kirchen und kirchliche Hilfswerke
JA zur Würde jedes Menschen
und deshalb NEIN zum Asyl- und zum
Ausländergesetz.