IDA Manifestation (Interreligiöse
Dialog- und Aktionswoche)
Samstag, 10. September 2005, Klosterplatz St. Gallen
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
[St.
Galler Erklärung als pdf
]
Liebe St. Gallerinnen und St. Galler
Wir wissen es alle und wir haben es vorher wieder
deutlich gehört: In unserem Kanton leben wir heute als Menschen
unterschiedlicher Kulturen und Religionen.
Das bereichert uns. Das macht uns manchmal auch Angst.
Aber es ist eine Realität. Sich gegen das Fremde zu wehren, es
auszugrenzen und pauschal abzulehnen versuchen ist keine Lösung. Aber
auch sich unter Seinesgleichen einschliessen und abschotten zu versuchen
ist keine Lösung.
Hier in der Schweiz hat sich immer wieder das andere
durchgesetzt: Wir sprechen miteinander. Wir leben miteinander. Wir
diskutieren miteinander. Wir sind nicht immer gleicher Überzeugung. Aber
wir achten einander. Und wir begegnen einander mit Respekt.
Nur darum sind wir eine integrierte Gesellschaft. Nur
darum sind wir es trotz unserer wachsenden Vielfalt immer wieder
geblieben. Nur diese Haltung ermöglicht Frieden und Menschlichkeit in
unserem Land. Auch für die Zukunft.
Wir Kirchen sind überzeugt, dass wir zu diesem
Zusammenleben in Frieden und Mitmenschlichkeit einen wichtigen Beitrag
leisten können und leisten sollen.
Der kantonale Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons
St. Gallen hat deshalb ganz formell und einstimmig beschlossen, die „St.
Galler Erklärung“ mit zu unterzeichnen.
Er versteht diesen Beschluss auch als Verpflichtung,
sich für die darin enthaltenen Anliegen in Kirche und Gesellschaft
engagiert und sichtbar einzusetzen.
Wir wollen die Schweiz nicht irgendwelchen
Scharfmachern überlassen. Sondern gerade auch als
evangelisch-reformierte Kirche wollen wir uns engagiert für ein
mitmenschliches Zusammenleben und für friedvollen Dialog einsetzen.
Ich bin überzeugt, dass interreligiöses Zusammenleben
und interreligiöser Dialog für uns Kirchen die grosse Herausforderung
des 21. Jahrhunderts sind. - Genauso wie die innerchristliche Ökumene
die grosse Herausforderung des 20. Jahrhunderts war.
Interreligiöser
Dialog als ureigenes Anliegen christlichen Glaubens
Aber das ist nicht nur eine gesellschaftliche
Herausforderung. Dialog und friedvolles Zusammenleben sind ureigene
Anliegen jeden echten Christ-Seins.
Nach christlichem Glauben wurde Gott in Jesus Christus
Mensch. Gott wurde Mensch – und nicht bloss Christ.
Jesus Christus wurde damit zum Bruder aller Menschen
und nicht bloss zum Bruder der Christen.
Auch das grosse Gebot der Menschenliebe, „Liebe deinen
Nächsten wie dich selbst“, spricht von unserem Nächsten, vom Menschen
neben uns, - und nicht bloss von unserem Glaubensgenossen. Das
christliche Liebesgebot gilt allen Menschen. Auch jenen, die anders sind
oder anders glauben als wir.
Heute sind für uns hier in St. Gallen Menschen aus
vielen neuen Kulturen und Religionen zu Nächsten geworden. Gerade unser
christlicher Glaube ruft uns auf, ihnen mit Liebe und Zuwendung zu
begegnen.
Dabei müssen wir unsere eigenen Überzeugungen weder
verstecken noch verleugnen. Im Gegenteil. Unsere ehrlichen Überzeugungen
sind gefragt im Gespräch zwischen Mensch und Mensch. Aber solches
Gespräch geschieht in Liebe, Respekt und echter menschlicher Begegnung.
Vergessen wir gerade als Christen das Wort des
Apostels Paulus nicht:
„Was bleiben wird, sind Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei.
Die grösste aber von ihnen ist die Liebe.“
Danke für Ihr Engagement.