Einleitende Besinnung an der
Wintersynode 2013
St. Gallen, 2. Dezember 2013
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
Persönliche Zeugnisse an
der Konferenz der Kirchgemeindepräsidien
Liebe Synodale
Jedes Jahr im November laden wir die Präsidien aller
Kirchenvorsteherschaften zu einer zweitägigen Konferenz ein. Vor einem
Monat fand sie in Wildhaus statt. Im Zentrum standen Fragen der
Mitarbeiterführung.
Für mich gehören diese Treffen stets zu den Highlights
des Jahres. Man spürt die Energie und das Engagement der
Kirchgemeindeverantwortlichen. Und während der zwei Tage wächst immer eine
Dynamik, die viele mit neuem Schwung in ihre Gemeinden zurückkehren lässt.
Natürlich gehören zu diesen Konferenzen stets auch
besinnliche und gottesdienstliche Zeiten. Dieses Jahr haben sie viele von
uns besonders berührt und zu eigenem Denken angeregt.
Paul Baumann, unser Beauftragter für Gemeindeentwicklung
und Mitarbeiterförderung, hat nämlich sechs Präsidentinnen und Präsidenten
gebeten, je kurz zu sagen, was für sie zentral ist am christlichen Glauben
und warum er für sie wichtig ist. Sechs kurze und persönliche
Glaubensbekenntnisse also.
Es waren sehr bewegende Momente, und sehr kostbare
Gedanken, dort oben in der Zwinglikirche von Wildhaus. Immer gefolgt von
einem passenden Gemeindelied.
Wir Reformierten hierzulande sind uns nicht gewohnt, in
dieser Weise vor anderen Menschen für unseren Glauben Zeugnis abzulegen.
Den meisten von uns fällt das schwer.
Es ist gut, dass wir nicht immer gleich mit der Türe ins
Haus fallen, die Menschen um uns herum mit unseren Überzeugungen
übergiessen oder sie gar bloss als Missionsobjekte behandeln.
Aber mir scheint, wir Reformierten sind ins andere
Extrem gefallen. Wir überlassen das Reden über den Glauben lieber den
Profis. Und selbst von diesen sind nicht selten ausweichende oder bloss
vage Glaubensaussagen zu hören.
Es scheint heute gelegentlich einfacher zu sein, sich
miteinander über die lange tabuisierte Sexualität zu unterhalten als über
den persönlichen Glauben.
Wir flüchten uns in solchen Momenten gerne in allgemein
anerkannte Lebensweisheiten, in allgemein-religiöse Spiritualität oder in
soziale Anliegen.
Auch das ist ja nicht einfach schlecht. Aber genügt es
auf die Dauer?
Das Zeugnis älterer Christen im
CVJM St. Gallen
Ich habe meinen eigenen Glauben weitgehend älteren
Menschen im CVJM (Cevi) St. Gallen zu verdanken.
Sie sprachen von Jesus und von Gott. Nicht von einer
vagen „höheren Macht“, wie sie auch von vielen heutigen Menschen noch
irgendwie als existierend angenommen wird. Nein, sie bezeugten mir einen
Gott, wie er sich in Jesus Christus zeigte, der ganz real als Mensch mit
uns gelebt hat.
Einen Gott, der die Menschen liebt und sie trotz ihrer
menschlichen Ambivalenz, ihrer Stärken und Schwächen, und auch ihrer
Schuldhaftigkeit, liebend und vergebend annimmt.
Sie zeigten mir einen Gott, den ich im Gebet mit „Unser
Vater“ anreden kann, einen von mir ansprechbaren Du-Gott also, ein
Gegenüber, einen Gott, wie ihn Jesus Christus als seinen Vater vorgestellt
hat.
Meine Gottesvorstellung hängt damit unauflöslich an der
Botschaft Jesu Christi. Meine Zuversicht, dass Gott mein Leben begleitet,
dass er mich trägt, selbst wenn ich falle und wenn alles um mich herum
fällt - dieses mein Lebensfundament hängt an Jesus Christus.
Diese Überzeugung habe ich dem Zeugnis und dem Vorbild
von Menschen im CVJM St. Gallen und von Menschen in Kirche und Familie zu
verdanken.
Und von ihnen lernte ich, dass solcher Glaube sofort zum
Engagement für die Mitmenschen führt.
Christlicher Glaube hat Taten zur Folge. Diese Taten
aber gründen in einer persönlichen Gottes- und Christusbeziehung.
Ohne die mich überzeugenden Worte und Taten dieser
Christen und Christinnen wäre ich nie Pfarrer, nie Jugendsekretär und nie
Kirchenratspräsident geworden.
Wahrscheinlich kann jedes von euch Synodalen eine
ähnliche Geschichte aus dem eigenen Leben erzählen.
Heute stehen wir in der
Verantwortung
Heute stehen wir in der Verantwortung, liebe Synodale.
In der Verantwortung, diesen Glauben an die jungen
Menschen, und auch an die nicht mehr so jungen Menschen, weiter zu geben.
Tun wir das nicht, kommt es zum Traditionsabbruch; unser
Glaube wird nicht mehr weiter gegeben.
Ich frage mich oft, ob ich selber dieser Verantwortung
in meinem beruflichen und in meinem privaten Leben gerecht geworden bin.
Und ehrlich gesagt, glaube ich es nicht. Auch ich tat
mir, und ich tue mir noch heute, in Gesprächen oft schwer, in klaren und
einfachen Worten zu meinem Glauben zu stehen. Ich finde es einfacher, vor
einer Synode für ein neues Konzept zur Geistlichen Begleitung von Kindern
und Jugendlichen zu argumentieren, als im Alltagsgespräch im richtigen
Moment die richtigen Glaubensworte zu finden.
Es ist heute Mode geworden, ein unklares Profil der
Reformierten zu beklagen. Man versucht dem mit Medienkampagnen, mit
prominenten Köpfen, oder mit einem gemeinsamen neuen Glaubensbekenntnis
und mit Bestrebungen in Richtung einer Evangelischen Kirche Schweiz
entgegen zu treten.
Ich glaube aber, dass die Problematik viel tiefer liegt.
Nämlich bei unserer eigenen Identität, bei unserem eigenen Glauben als
individuelle Christinnen und Christen; und dann als Kirchgemeinden und als
Kirche.
Kirchliche Programme, Aktivitäten und soziale Aktionen
allein genügen nicht, mögen sie noch so attraktiv gestaltet sein.
Letztlich möchten die Menschen wissen, was wir
persönlich glauben und wofür wir deshalb als Menschen und als Kirche in
unserem Handeln einstehen. Es geht um Glaubwürdigkeit, um authentisches
Christ-Sein in Wort und Tat.
Kirche ohne Menschen mit einem klaren, überzeugend
kommunizierten Glauben und entsprechendem Handeln funktioniert nicht.
Und das einfach an Profis delegieren zu wollen, reicht
ebenfalls nicht.
Wie formuliere ich meinen eigenen
Glauben?
Liebe Synodale, damit bin ich jetzt bei jedem Einzelnen
von euch. Ihr müsst euch heute mit Worten oder Handaufhalten aussprechen
zu zwei Kirchenratskandidaturen, zu Finanzfragen, zum Arbeitsverhältnis
von Religionslehrpersonen, und zu manch anderem.
Da muss man sich outen, da muss man für seine
Überzeugung Stellung nehmen, quasi Zeugnis für seine Meinung ablegen. Das
ist nicht immer leicht. Aber ich meine, es ist auch nicht wirklich
schwierig.
Ich möchte euch darum heute noch eine zusätzliche
Aufgabe stellen. Nicht für die Synodesitzung, sondern für nachher, quasi
als Hausaufgabe.
Versuche doch heute nach der Synode, liebe Synodale,
lieber Synodaler, für dich persönlich einmal zu formulieren, was du
eigentlich glaubst, und was dir am christlichen Glauben wirklich wichtig
ist.
Versuche es vielleicht sogar aufzuschreiben, oder jemand
anderem zu sagen. Stell dir vor, auch du würdest morgen von Paul Baumann
gebeten, in einem Konferenzgottesdienst in wenigen, allgemein
verständlichen Worten von deinem Glauben zu sprechen. Was würdest du da
sagen?
Jesu Auftrag und Versprechen
Ich möchte diese Besinnung schliessen mit den berühmten
Worten von Jesus im Matthäusevangelium, Kapitel 28, Verse 18 bis 20:
„Gehet hin in alle Welt“.
Ich verwende diesen Text an jeder Ordination. Und er ist
als Jesu Taufbefehl an vielen Taufen zu hören.
Diese Worte Jesu enthalten einen Auftrag: „Gehet hin
in alle Welt“.
Und die Aufforderung: „Gebt ihnen die Weisungen
weiter, die ich euch gegeben habe, und helft ihnen, danach zu leben.“
Diese Worte Jesu enthalten aber auch ein grossartiges
Versprechen: „Ich bin bei euch, alle Tage, bis ans Ende der Welt."
Jesus Christus sagt in diesem Text:
„Mir ist alle Macht gegeben im
Himmel und auf Erden.
Gehet hin in alle Welt und machet alle Völker zu Jüngern.
Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes.
Gebt ihnen die Weisungen
weiter,
die ich euch gegeben habe,
und helft ihnen, danach zu leben.
Und seid gewiss:
Ich bin bei euch,
alle Tage,
bis ans Ende der Welt.“
Liebe Synodale,
Sind, werden und bleiben wir eine Kirche „nahe bei
Gott – nahe bei den Menschen“.
Sind, werden und bleiben wir Christinnen und Christen,
die in Wort und Tat, in Tat und Wort, glaubwürdig für ihren Glauben
einstehen.
Amen.