Mit dem braungebrannten Gesicht und seinem schallend-ansteckenden
Lachen könnte er glatt als Jugendpfarrer durchgehen. Dölf Weder,
Kirchenratspräsident der Reformierten, Pfarrer mit Doktorwürde, Mitglied
verschiedenster kirchlicher Kommissionen, bekennender Cevianer, ist nach
eigenem Bekunden hyperaktiv. Einer, der sich hochgradig identifiziert
mit seiner Arbeit, der mit Terminen vollgestopfte Tage hat. Rücksicht
auf eine Familie muss er nicht nehmen, er ist nicht verheiratet.
Ein Kaffee-Zeitpunkt ist trotz Termindichte
nicht schwer zu finden: Auf Mails antwortet er rasch und in einer Sprache,
die von dieser Welt ist.
*
Seit Anfang 2000 ist Dölf Weder Kirchenratspräsident. Der Slogan «Nahe
bei Gott – nahe bei den Menschen» auf allen kirchlichen Verlautbarungen
bis hin zum Briefpapier zu finden, wird eng mit ihm verbunden. Er hat in
seiner Amtszeit neue Stellen geschaffen – etwa die Arbeitsstelle für
Pastorales –, Leitziele formuliert, das Netzwerk Junge Erwachsene ins
Leben gerufen, die Ausbildung für populäre Musik in den Gottesdiensten
forciert.
Aber wer ist der in St. Gallen aufgewachsene und hier lebende
59-Jährige eigentlich? Was macht er, wenn er nicht gerade Arbeitsziele
verfolgt? Dölf Weder lacht. Typisch für ihn sei, sich in eine Sache zu
vertiefen, dieser auf den Grund zu gehen – wie eben in den vergangenen
Ferientagen mit dem Jazz. Statt Bibelstellen purzeln die Namen von
Jazz-Grössen aus seinem Mund, und er schwärmt vom Festival in Lenk.
*
Was er nicht brauche: Nach Feierabend eine gesellige Bier-Runde. «Meine
Erholung ist, allein zu sein.» Obwohl er von seiner Arbeit her viele Leute
kenne, verkehre er in keiner St. Galler «Szene», einen Promi-Status will
er nicht für sich reklamieren: «Ich bin froh, ungestört einzukaufen.»
Dennoch: Irgendwann im Gespräch kommt die Bischofsfrage. Denn bei
Grossanlässen sieht man immer den Kirchenratspräsidenten neben dem Bischof
sitzen – und bei diesem rapportieren die Medien beinahe jedes Hüsteln.
Wäre das nicht auch nett, Herr Weder? Wieder dieses Lachen. «Jeder Pfarrer
ist ein Selbstdarsteller. » Aber: Selbstdarstellung widerspreche dem
Selbstverständnis der Reformierten.
*
Viel stärker beschäftigt Dölf Weder die Frage, wie man «relevante
Kirche» macht. Vor allem in der Zukunft, die finanzielle Einbussen bringen
wird. Kirche beginnt bei Weder mit Cevi-Lagererfahrungen in den Jahren
nach 68 mit der Übernahme von Verantwortung, mit ein bisschen
Aufmüpfigkeit: «Ich war kein Revoluzzer.» Aber es musste doch ein Film
gedreht werden, um die Kritik an der etablierten Kirche auszudrücken.
Geblieben ist, dass Kirche nicht aus
Gebäudeinfrastruktur besteht, sondern aus Gemeinschaft. Darum ist es für
ihn auch nicht schwierig, sich von Schloss Wartensee zu trennen – und das
Geld aus dem Verkauf in Projekte mit Menschen zu stecken. In seinem
Wahlkampf hat er dabei von grauer und blauer Musik gesprochen: So viel
Infrastruktur wie nötig, so wenig wie möglich. Das Kirchenparlament hat er
damit überzeugt, es setzte auf den Quereinsteiger, der für die nächste
Legislatur ab 2010 nochmals kandidiert und längstens bis 2014 im Amt
bleiben will.