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Bereit zum Wandel

Warum sich die Kirche erneuern will - St. Galler Reformierte geben sich Leitziele

 

 

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Interview zu "St. Galler Kirche 2010" von Josef Osterwalder
St. Galler Tagblatt, "Aktualität", 31. Januar 2002
Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident

 

Die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St. Gallen möchte sich in den nächsten zehn Jahren deutlich verändern. Leidet sie so sehr an der Gegenwart?

Veränderung haben nicht wir uns auf die Tagesordnung gesetzt. Vielmehr befindet sich die Gesellschaft im Umbruch. Da muss sich auch die Kirche auf die neuen Gegebenheiten besinnen.

 

Gesellschaft im Umbruch. An welche Veränderungen denken Sie?

Ein Beispiel ist die Feststellung, dass die traditionellen Verhaltensweisen sich auflösen. Das betrifft auch den Glauben. Die Aussagen der Kirchen übernimmt man nicht mehr unbefragt. Vielmehr sucht sich der Einzelne auf dem Supermarkt religiöser Angebote sein persönliches Sortiment zusammen.

 

Und dieser Wandel hat nun den reformierten Kirchenrat in Fahrt gebracht?

Bei einer Klausurtagung suchten wir die Situation zu analysieren, fragten uns zum einen, wie die Kirche in einer Welt leben soll, die so ganz anders geworden ist. Zum andern gingen wir aber auch den Visionen einer Kirche von morgen nach. Und bald schon merkten wird, dass wir uns auf einen Weg eingelassen haben, den wir nicht allein, sondern zusammen mit den Kirchgemeinden gehen wollen.

 

Erster Schritt war eine Umfrage zu den Stärken und Schwächen. Hat sie Resultate gebracht?

Ja, sehr interessante. Enttäuschend war aber zu sehen, wie sehr kirchliche Insider die Welt noch immer durch die eigene Brille sehen.

 

An was denken Sie?

In der Umfrage wird zum Beispiel als ein besonders "zukunftsträchtiges Angebot" genannt: "Kirche für und mit jungen Menschen". Das ist zwar sehr schön, aber auch sehr schwer zu verwirklichen. Da wird leicht eine schöne Vision mit der Wirklichkeit verwechselt.

 

Etwas Weiteres fällt auf: Die Organisationsstruktur der Kirche wird sowohl als besondere Stärke als auch als Schwäche gesehen.

Die Umfrage richtete sich an die Kirchgemeindeverantwortlichen. Es überrascht wenig, dass für sie die Organisation im Vordergrund steht. Auch wenn sie diese dafür verantwortlich machen, dass die Kirche zu unbeweglich geworden ist.

 

Dieses Hervorheben des Organisatorischen behagt Ihnen nicht?

Ich meine, dass man immer zuerst von den Inhalten reden muss. Man muss wissen, was man will. Erst nachher kommt die Frage, mit welcher Form man zum gewünschten Ziel kommt.

 

Und das heisst nun konkret?

Nehmen wir als Beispiel den Gottesdienst. Nach traditionellem Verständnis findet dieser am Sonntagmorgen und in einer genau bestimmten Form statt. Vielleicht aber gibt es Gruppen, die ganz andere Bedürfnisse haben, die andere Formen und Zeiten möchten. Solchen Wünschen kann die Kirche entsprechen, wenn wir bereit sind, Schwerpunkte zu bilden, die einander ergänzen: An einem Sonntagmorgen wird vielleicht in der einen Gemeinde ein traditioneller Gottesdienst angeboten, in der andern am Samstagabend eine jugendlich-bewegte Gospelfeier.

 

Ist das noch im Einklang mit der Kirchenordnung?

Die Synode hat sie bereits im Dezember auf solche Situationen hin abgeändert.

 

Die Appenzeller Kirche lässt den Leuten frei, sich in einer Kirchgemeinde ihrer Wahl einzutragen. Will die sanktgallische das Umgekehrte, die Vielfalt in den eigenen Gemeinden erleben lassen?

Wir haben in unserer Kirchenrats-Klausur das Appenzeller Modell eingehend diskutiert. Wir sind überzeugt, dass wir mit regionaler Schwerpunktsetzung ebenfalls zum Ziel kommen.

 

Dann hat auch die St. Galler Kirche einen Sinn für innerkirchliche Freizügigkeit oder gar Freiheit?

Ja, das traditionelle Territorialprinzip ist bereits heute relativiert. Man geht dorthin, wo es einem behagt. Das heisst aber, dass auch die kirchlichen Mitarbeiter nicht "allen alles" sein müssen. Wichtig ist, dass er oder sie die persönlichen Fähigkeiten entdeckt und die eigenen Stärken entwickelt - und dasselbe eine Gemeinde als Ganzes.

 

Und wie sehen das die Mitarbeiter?

Ich denke, dass das für sie etwas Befreiendes hat. Es befreit sie vom Anspruch, in allem gut zu sein.

 

Ihre Beratungen haben zum Ziel einer Kirche "nahe bei Gott - nahe bei den Menschen" geführt. Wird da der Christ nicht zu einem Mittelding, nicht mehr ganz auf der Erde und doch noch nicht im Himmel?

Wir haben bei dieser Wendung nicht ein Bild von oben und unten vor Augen. Gemeint ist: Ich kann nur dann wirklich nahe beim Menschen sein, wenn ich ihn im Licht Gottes sehe. Und umgekehrt setzt Nähe zu Gott voraus, dass ich den Weg zum Mitmenschen suche.

 

Das müsste dann aber auch das Bild der Kirche verändern?

Gewiss, sie wird zur Gemeinschaft auf dem Weg; wir gehen gemeinsam unserem Ziel entgegen.

 

Dann hätte dies auch Platz für verschiedene Stufen oder Intensitäten der Kirchenmitgliedschaft?

Es ist ja so, dass die Kontakte mit einer Kirchgemeinde sehr unterschiedlich sind. Für die einen ist es eine dauernde Beziehung, für andere beschränkt sie sich auf punktuelle Kontakte, bei Taufen, Hochzeiten, Abdankungen. Man darf da nicht werten.

 

Und auch nicht die Gelegenheit beim Schopf packen, die Leute hereinzuholen?

Wir wollen diese Menschen ja nicht einfach "hereinziehen", sondern stellen uns an ihre Seite. Man kann einen Menschen nur verstehen, wenn man die Welt (und den Glauben) mit seinen Augen zu sehen versucht.

 

In den Leitzielen der Kirche für das Jahr 2005 erscheinen Wörter wie Qualität, Partizipation, Praxisorientiertheit. Wird da nicht die alte "Sprache Kanaans" mit jener der modernen Betriebswirtschaft ausgetrieben?

Es finden sich nicht sehr viele Begriffe solcher Art im Text. Er wurde von Laien mitgestaltet. Und die sind sich vom Beruf her an diese Sprache gewöhnt. Wir sind uns bewusst, dass wir mit der Formulierung von Leitzielen noch nicht viel erreicht haben. Das Wichtigste geschieht jetzt, in der Art, wie wir sie umsetzen. Sie müssen konkret werden. Wegleitend ist für uns der Grundsatz: "Nichts ist wirklich, bevor es nicht lokal wird."

 

Schwebt Ihnen ein symbolträchtiges Bild vor für diese neue Ausrichtung der Kirche?

Zum einen ist es der gemeinsame Weg der Jünger mit dem auferstandenen Jesus nach Emmaus. Zum andern denke ich auch an die zauberhafte Geschichte von einem Clown, der auf jeden Menschen eingeht, jedem sein Lachen schenkt und im Mitmenschen Christus findet.

 

Erfolgreiche Aufbrüche drücken sich oft auch musikalisch aus. Hat die neue Bewegung bereits ihr Lied gefunden?

Das Lied, das in unseren Workshops immer wieder gewünscht wird, beginnt so: "Vertraut den neuen Wegen, die der Herr euch weist..."

 



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     www.weder.ch     Last updated: 27.12.23

   
Inhalt

Gesellschaft im Umbruch

Stärken und Schwächen

Konkretes Beispiel: Gottesdienst

Vielfalt und Freiheit

Nahe bei Gott - nahe bei den Menschen

Zum Kirchenbild

Symbolträchtiges Lied und Bild

 

 

Der einzelne Mensch sucht sich auf dem Supermarkt religiöser Angebote sein persönliches Sortiment zusammen.

 

 

 

 

 

Kirchliche Insider sehen die Welt noch immer sehr durch die eigene Brille.

 

 

 

 

 

 

 

Man muss immer zuerst von den Inhalten reden. Erst nachher kommt die Frage, mit welcher Form man zum gewünschten Ziel kommt.

 

 

 

Vielen Wünschen kann die Kirche entsprechen, wenn wir bereit sind, Schwerpunkte zu bilden, die einander ergänzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wichtig ist, dass die kirchlichen Mitarbeiter ihre persönlichen Fähigkeiten entdecken und die eigenen Stärken entwickeln - und dasselbe eine Gemeinde als Ganzes.

 

 

 

 

Ich kann nur dann wirklich nahe beim Menschen sein, wenn ich ihn im Licht Gottes sehe. Und umgekehrt setzt Nähe zu Gott voraus, dass ich den Weg zum Mitmenschen suche.

 

 

Kirche wird zur Gemeinschaft auf dem Weg; wir gehen gemeinsam unserem Ziel entgegen.

 

 

 

 

 

 

Man kann einen Menschen nur verstehen, wenn man die Welt (und den Glauben) mit seinen Augen zu sehen versucht.

 

 

 

Nichts ist wirklich, bevor es nicht lokal wird.

 

 

 

 

 

"Vertraut den neuen Wegen, die der Herr euch weist..."