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Freundschaft in der Wüste

Eine interkulturelle Begegnung in Indien

 

 

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Geschichte einer interkulturellen Begegnung in Indien. Aufgeschrieben von Geschichtenerzähler Bernhard Brack und Pfr. Dr. Dölf Weder


Freundschaft in der Wüste

Ums Jahr 1980 ritten wir als kleine Gruppe mit einem Ethnologen auf Dromedaren durch die abgelegene Thar-Wüste in Nordindien. Ein Dorfältester mit einigen seiner jungen Männer führte uns. Jeweils zu zweit sassen wir auf einem rohen Holzsattel, gepolstert mit einer Schlafdecke. Hinter mir, Körper an Körper, Buraram, ein Muslim. Er lenkte unser Dromedar und achtete beim Satteln stets sorgsam darauf, dass mich keiner der rohen Stricke wund rieb. Unterhalten konnten wir beide uns während mehr als zwei Wochen nur mit Gebärden. Glücklicherweise gab es da noch Burarams Freund Boannis, ein Hindu. Er sprach Englisch. Wir wurden bald zu einem freundschaftlichen Trio.

Wie ein kleiner Wanderzirkus ritten wir von Dorf zu Dorf. Abends strömten die Bewohner auf dem Dorfplatz zusammen. Wir waren für die Unterhaltung zuständig. Boannis wandelte sich zum Schwerttänzer, unser Koch tanzte in Frauenkleidern, und ich sang mit meiner Gitarre Äs Buurebüebli. Geschlafen wurde wegen giftiger Schlangen um mehrere kleine Feuer.

Am entferntesten lagerten infolge ihrer Kastenzugehörigkeit stets ein Junge und sein Onkel. Als Muslim konnte Buraram mit ihnen sprechen. Für Boannis als Hindu war Kontakt undenkbar. Für mich als Christ sind alle Menschen gleich. Gott liebt jedes von uns. Darum soll niemand ausgegrenzt werden. Es schmerzte mich, dass ich auch in einem langen Gespräch mit Boannis nicht einig wurde. Ich erlebte ihn sonst immer als sehr offen und mitmenschlich. Selbst für ein Foto zusammen mit Buraram und dem Jungen bestand Boannis auf einem Abstand von mindestens einem Meter.

Eines Abends organisierte Boannis ein Rennkamel. „Wo ist der Sattel?“, fragte ich. „We ride without a saddle“, sagte er. Das Tier rannte schnell, sehr schnell, und wir flogen in atemberaubendem Tempo über den harten Sand. Beim Aufsteigen hatte ich Angst. Ich wusste, dass ich mitten in der Wüste mein Leben oder wenigstens meine Gesundheit in die Hände von Boannis hinter mir legte.

Grosses Vertrauen, menschliche Nähe einerseits und echten Schmerz über unterschiedliche kulturelle und religiöse Überzeugungen andererseits erlebte ich eindrücklich dort in der Wüste.

Buraram konnte nicht verstehen, dass ich im Unterschied zu ihm nicht verheiratet war. Für ihn war das ein gravierender Defekt: „No marriage – no life“ liess er mir übersetzen. Für die letzte Nacht bot er mir schliesslich die frisch verheiratete Frau eines Freundes an. Für mich war das undenkbar.  Aber gleichzeitig lehnte ich damit den grössten Freundschaftsdienst von Buraram ab und verletzte ihn tief.

Am nächsten Tag, unserem Abschied, schenkte ich Buraram von meinen wenigen mitgeführten Sachen für die kalten Nächte meinen warmen Skipullover. Ich sehe ihn jetzt noch, wie er neben Boannis steht und mir bei grösster Mittagshitze im Skipullover zum Abschied zuwinkt.

Dölf Weder

 



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Für mich als Christ sind alle Menschen gleich. Gott liebt jedes von uns.

 

 

 

 

 

Grosses Vertrauen, menschliche Nähe einerseits und echten Schmerz über unterschiedliche kulturelle und religiöse Überzeugungen andererseits erlebte ich eindrücklich dort in der Wüste.